„Player of Ibiza“ erfreut ähnlich wie „Die Discounter“ – Review

„Kleine Brüder“ spotten für ARD über feministisches Trash-TV

Stefan Genrich
Rezension von Stefan Genrich – 09.05.2024, 17:39 Uhr

In „Player of Ibiza“ posieren die Möchtegern-Hengste (v. l.) Tim (Bruno Alexander), Marvin (Charles Booz Jakob), Anthony (Emil Belton), Abdel (Arman Kashani) und Jeppe (Sammy Scheuritzel). – Bild: NDR / Hannah Aders
In „Player of Ibiza“ posieren die Möchtegern-Hengste (v. l.) Tim (Bruno Alexander), Marvin (Charles Booz Jakob), Anthony (Emil Belton), Abdel (Arman Kashani) und Jeppe (Sammy Scheuritzel).

Wer am 10. Mai spät den Spartensender One einschaltet, erwartet alles Mögliche – aber wohl kaum eine Reality-Show wie „Big Brother“ oder „Germany Shore“. In „Player of Ibiza“ wollen fünf junge Kerle feiern, herummachen, saufen und natürlich im Fernsehen auffallen. Die ARD springt keineswegs auf den Zug zum Trash-TV. In ihrem Förderprogramm „Nordlichter“ bietet sie dem Team von Kleine Brüder GmbH die Chance, wie zuvor in „Die Discounter“ zu improvisieren und kreative Einfälle umzusetzen: In den fünf Episoden spotten die Zwillinge Emil und Oskar Belton sowie ihr Freund Bruno Alexander, wie Mini-Machos mit dem Feminismus zusammenstoßen. Die Reality-Helden landen mitnichten am Sehnsuchtsort Ibiza, sondern in der niedersächsischen Provinz. Als sogenannte Mockumentary imitiert „Player of Ibiza“ dokumentarische Sendungen. Das Geschehen wirkt erschreckend echt. Am Tag der Premiere wandern die 25-minütigen Folgen in die ARD Mediathek.

Testosteron-Bomben bekämpfen Feminismus

Fünf heiße Player, eine Insel, eine Queen, 25.000 € und eine Frage: Wer wird ‚Player of Ibiza‘? – der Trailer mit Party-Bildern der vergangenen Staffel (der fiktiven Sendung) soll bei Zuschauern und potentiellen Teilnehmern Lust auf die Fortsetzung wecken. Jedenfalls setzt Regisseurin Amelie (Larissa Sirah Herden) auf das bewährte Konzept – Chefredakteur Arne (Martin Brambach, „Unter anderen Umständen“) will die Show umkrempeln. Testosteron-Bomben wie der reiche Schnösel Anthony sollen aber nach wie vor auftreten. Zunächst bleibt den männlichen Teilnehmern verborgen, dass für die neue Staffel Feminismus als Motto eingeführt wird. Teilnehmer Anthony würde unter diesem Begriff das Ziel verstehen, eine Frau beim Sex zum Höhepunkt zu treiben. Zocker Jeppe (Sammy Scheuritzel) klopft andere Sprüche: Ich bin halt für eine Verstaatlichung der Frau, damit auch ein Mann wie ich mal eine Chance hat, eine Frau zu daten.

Kandidaten der Reality-Show landen in Buchholz

Kann Arne mit den fragwürdigen Gestalten eine feministische Ausgabe der Show aufstellen? Er ködert Amelie mit dem Versprechen, dass du aus diesem Reality-Quatsch rauskommst. Allerdings muss der Sender sparen. Daher entfällt der Trip nach Ibiza: Wir fahren nach Buchholz. Moderatorin Shirin (Altine Emini) soll diese Veränderung als tolle Überraschung verkaufen. Drogen veranlassen Kamerafrau Toni (Paula Goos) seit längerer Zeit, über Feminismus als Vorwand und andere Ärgernisse hinwegzusehen. Bisher diente eben Sexismus den Einschaltquoten. Der angebliche Macher Abdel (Arman Kashani), der erfolglose Rapper Marvin (Charles Booz Jakob) und das naive Muskelpaket Tim gehören ebenfalls zu den betrogenen Kandidaten. Kumpel, Angehörige und andere Leute aus ihrer Umgebung torpedieren die Selbstdarstellungen mit abschätzigen Kommentaren.

Männer-Coach Janke Zoller (Christoph Glaubacker, l.) tröstet den verwirrten Camp-Bewohner Jeppe (Sammy Scheuritzel). NDR /​ Hannah Aders

Paulita Pappel produziert Pornos für Frauen

Die kuriosen Aufnahmen für die Show sollen bei uns Lust auf die Ereignisse wecken – ja, das gelingt! Die beobachtbaren Abläufe wirken realistisch, wie es zu einer Mockumentary passt. Die Grenzen zwischen den Vorlagen und der Parodie verschwimmen, zumal anerkannte Feministinnen in Gastrollen schlüpfen. So überprüft Expertin Anna König den angeblichen Wandel der fünf Männer: Im wahren Leben erledigt Darstellerin Mareice Kaiser ähnliche Aufgaben – die Journalistin hält Seminare und hat zum Beispiel den Bestseller „Das Unwohlsein der modernen Mutter“ geschrieben. Paulita Pappel produziert wiederum Pornos für Frauen. Ihre Anregungen sind in eine Szene eingeflossen. In der Show besuchen Teilnehmer den Dreh eines nachhaltigen Sexfilms. Paulita nutzt die Gelegenheit, die unbedarften Macker richtig aufzuklären.

Schleim regnet auf unverbesserliche Machos

Widersprüche amüsieren: Lisa ist ihrem Timmi schon mal fremdgegangen, aber das weiß er nicht, ist auf dem Bildschirm zu lesen. Amelie verliert den Mut, Feministen aus diesen Schwachköpfen zu formen. In der ersten Challenge sollen die Jungs sexistische Aktionen ihrer Mitspieler erraten. Wer den Übeltäter überführt, kassiert Geld. Auf den unverbesserlichen Macho regnet indes Schleim. Bei diesem Wettkampf hat Anthony bekannt, dass er 67 Frauen flachgelegt hat – oups, Tims Freundin Lisa gehört dazu.

Der schwule Besucher Navid (Arshia Khajehnori) kennt den Koran überraschend gut. NDR /​ Hannah Aders

NDR und Christian Ulmen respektieren die Kleinen Brüder

Das Trio von Kleine Brüder genießt freie Hand: Es führt Regie und entwickelt das Drehbuch. Ferner übernimmt Emil Belton die tragende Rolle als Anthony. Bruno Alexander spielt den Konkurrenten Tim. Übrigens haben die drei Verantwortlichen die meisten Erfahrungen als Darsteller gesammelt. Sie starteten schon als Kinder in „Die Pfefferkörner“. Die Auftraggeber vom NDR und Produzenten wie Christian Ulmen respektieren die kreativen Entscheidungen. Sie begreifen, dass der Austausch im Team funktioniert. In dieser kleinen Nische des öffentlich-rechtlichen Fernsehens pausieren die üblichen Bedenkenträger. Emil und Oskar Belton sowie Bruno Alexander toben sich aus, etwa indem sie zusammen mit Kameramann Paul Sommerhalter die Ergebnisse der Drehtage schneiden.

Männer sollten jetzt mal wirklich die Klappe halten

Der Anstoß zur Miniserie kam von Ina-Christina Kersten, die als Executive Producer in der ersten Staffel von „Die Discounter“ mitmischt. Weiblicher Einfluss ist beim Drehbuch zu spüren. Ellen Holthaus und Miriam Suad Bühler haben die Kleinen Brüder unterstützt. Ebenso begehrt ist die Meinung anderer Frauen. Wir haben uns dann zurückgenommen, weil Larissa einfach mehr Plan hatte, erklärt Bruno Alexander im Presseheft: Sie hat rausgehauen, was sie dachte, und das war total witzig. Nebenbei wollen die Burschen verhindern, in jedes Fettnäpfchen zu latschen. Emil Belton sagt dazu: Wir haben auch gelernt, dass man als Mann zu vielen feministischen Themen nichts zu sagen hat, weil Männer jetzt mal wirklich die Klappe halten sollten.

Feministin Anna König (Mareice Kaiser, r.) staunt über Regisseurin Amelie (Larissa Sirah Herden). NDR /​ Hannah Aders

Team improvisiert noch stärker als bei „Die Discounter“

Noch stärker als in „Die Discounter“ improvisiert die Gruppe. Das Drehbuch liefert lediglich die Situationen und Umstände. Die Schauspielerinnen und Schauspieler reagieren spontan in zahlreichen Dialogen. Experimentelle Produktionen junger Nachwuchskräfte folgen mitunter dieser Strategie, die zum Beispiel bei „Tod den Lebenden“ schiefläuft. In „Player of Ibiza“ begeistern die Fähigkeiten, sich gegenseitig die Bälle zuzuwerfen. Einfühlungsvermögen, Ideenreichtum und Witz prägen sogar komplizierte Szenen. Vorerst öffnen sich die Spießgesellen gegenüber Männer-Coach Janke Zoller (Christoph Glaubacker). Amelie enttarnt den Betrüger, als er die Regisseurin und ihre Show verdrängt. Arne bewertet solche Störungen als unerhebliche Probleme. Der Chefredakteur segelt unerschütterlich auf seinem gefährlichen Kurs. Außerdem begrapscht der selbst ernannte Feminist weiterhin seine Mitarbeiterin.

Beim Ecstatic Dance schweben losgelöst (v. l.) Marvin (Charles Booz Jakob), Abdel (Arman Kashani), Anthony (Emil Belton) und Jeppe (Sammy Scheuritzel). NDR /​ Hannah Aders

Chefredakteur und Regisseurin erpressen junge Draufgänger

Marvin belästigt Charisma mit dämlichen Songtexten über sexuelle Phantasien: Doch die Rapperin aus unserer Welt führt den abgedrehten Typen in eine andere Musikrichtung. Der schwule Besucher Navid (Arshia Khajehnori) belehrt Abdel über den Koran und über Nähe zwischen Männern. Tim plagt den unerwünschten Mitbewohner Jeppe. Dennoch gelingt es diesem Spargeltarzan, den Spieß umzudrehen. Er entlockt dem Bodybuilder peinliche Geheimnisse. Tim droht unter dem Druck in der Show zu scheitern. Zuerst erkennt Anthony die wahren Absichten von Arne und Amelie. Die Regisseurin kontrolliert die Draufgänger mit der Zusage, besonders fiese Aufzeichnungen vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Gelingt die Erpressung? Vielleicht profitieren die „Player of Buchholz“ vom Training zum Feminismus. Hingegen haben die Gefährten daheim nichts Ähnliches erlebt. Ein Skandal hängt über den Köpfen der Show. Amelie und Arne befürchten einen Flop und ein Ende der Karriere.

Fans und Gegner vom Trash-TV kommen auf ihre Kosten

Die lustigen und kritischen Kurzgeschichten gefallen wohl den Fans vom Trash-TV. Gegner dieses Genres kommen gleichfalls auf ihre Kosten. Selten nervt der rabiate Humor. Untertöne vermitteln Feinheiten. Die Newcomer vor und hinter der Kamera zeichnen abwechslungsreiche Charaktere. Sie unterhalten die Zuschauerinnen und Zuschauer. Ohne erhobenen Zeigefinger deuten sie auf Nachteile für Frauen. Martin Brambach ergänzt die Belegschaft mit routinierten und gleichsam originellen Leistungen. Die geschickt ausgewählte Musik verstärkt die Stimmung. Nach „Die Discounter“ bestätigt „Player of Ibiza“, dass Emil und Oskar Belton sowie Bruno Alexander auf ihrem Weg fortschreiten sollten.

Dieser Text beruht auf der Sichtung der fünfteiligen Miniserie „Player of Ibiza“.

Meine Wertung: 4/​5

One zeigt die 25-minütigen Episoden von „Player of Ibiza“ an einem Stück – am Freitag, den 10. Mai ab 23:00 Uhr. Ab diesem Tag steht die komplette Serie in der ARD Mediathek bereit. Der NDR wiederholt die Folgen am Mittwoch, den 19. Juni ab 23:30 Uhr – zum Start der neuen Staffel von „Nordlichter“ für ein junges Publikum: Diese Reihe gehört zum gleichnamigen Förderprogramm für Nachwuchstalente. In „Nordlichter“ sollen frische Erzählungen mit norddeutschem Touch entstehen.

Trailer zu „Player of Ibiza“ (ARD erlaubt derzeit keine Einbettung)

Über den Autor

Seit 2016 hat Stefan Genrich Websites entwickelt und an einer Hochschule unterrichtet. Vor einer siebenjährigen Pause bei fernsehserien.de würdigte er das weihnachtliche TV-Programm im United Kingdom: Sein Herz schlägt für britisches Fernsehen. Daher verfolgt er jeden Cliffhanger von „Doctor Who“. Der Journalist kritisiert nebenberuflich Serien. Ihn ärgern Mängel bei ARD und ZDF – oder er genießt „Tagesthemen“ sowie „Nord bei Nordwest“. Frühe Begegnungen mit „Disco“ und „Raumschiff Enterprise“ haben Spuren hinterlassen. Später scheiterte Stefan beim Versuch, die Frisur von „MacGyver“ zu kopieren. Wegen „Star Trek: Strange New Worlds“ und „1923“ mag er Paramount+.

Lieblingsserien: Frasier, Raumpatrouille, Star Trek – Deep Space Nine

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • (geb. 1978) am

    Überdreht, überzeichnet, trashig - die erste Episode hat mir gereicht. Für das Format gehöre ich definitiv nicht zur Zielgruppe. Mir reicht es aber auch allmählich mit diesen unzähligen "Jerks"-Clons, die alle mit vermeintlichen Grenzüberschreitungen spielen und damit beim Zuschauer letztlich nur eine nicht enden wollende Fremdscham erzeugen. Da kann man sich auch gleich das unironische "Original", also "Love Island" & Co., ansehen. Da sind zumindest nur die Oberweiten, Lippen und Wimpern der Akteure überflüssig künstlich.
    • am

      Da kann man ja vielleicht wirklich mal reinschauen.

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