Dokumentation in 4 Teilen, Folge 1–4

  • Folge 1
    Fassungslosigkeit, Trauer und die Frage: Warum? Wenn sich ein Mensch das Leben nimmt, lässt er seine Angehörigen allein und oft traumatisiert zurück. Sie müssen weiterleben. Doch wie? Kristina war zwölf, als sich ihre Mutter das Leben nahm. Der Suizid kam aus dem Nichts. Trotzdem hat Kristina auch schöne Erinnerungen an ihre Kindheit. „Doch jedes Mal, wenn ich eine Brücke sehe, kommen die schlimmen Erinnerungen hoch“, sagt die heute 39-Jährige. Sarah war 16 Jahre alt, als sich ihre Mutter das Leben nahm. Einen Abschiedsbrief gab es nicht. Der Suizid liegt inzwischen sechs Jahre zurück.
    Sarah studiert heute an der Pädagogischen Hochschule. Ihr wurde vor knapp einem Jahr bewusst, dass sie den Tod ihrer Mutter noch nicht verarbeitet hat. „Ich suchte eine andere Perspektive und hatte das Bedürfnis, mit Menschen zu sprechen, die dasselbe erlebt haben wie ich“, erklärt sie. Diese Menschen fand sie in der Selbsthilfegruppe „Nebelmeer“. Manuelas Vater nahm sich 2015 während einem Aufenthalt in einer Psychiatrischen Klinik das Leben. „Das war ein Riesenschock. Der Suizid warf mich völlig aus der Bahn“, sagt Manuela. „Ich musste lernen, dass im Leben nicht alles planbar ist“.
    Heute hat Manuela den Suizid ihres Vaters akzeptiert, auch dank der Gespräche in der Selbsthilfegruppe Nebelmeer. „Es half mir, mit Menschen zu sprechen, die dasselbe erlebt haben wie ich. Es ist ein Verständnis für das Gefühlschaos und die Trauer da.“ Vor über 20 Jahren erweckte Jörg Weisshaupt im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit bei der Reformierten Kirche Zürich die Selbsthilfegruppe „Nebelmeer“ zum Leben. „Ein Suizid löst sehr viel komplexere Trauerabläufe aus als der Tod durch eine Krankheit“, erklärt Jörg Weisshaupt.
    „Der Fokus auf die Hinterbliebenen fehlt jedoch in der Gesellschaft. Wenn Suizidprävention, dann nicht nur bis zur suizidalen Person. Man muss noch weiter denken: beispielsweise an die Hinterbliebenen. Aufgrund des traumatischen Erlebnisses sind diese oft selbst suizidgefährdet.“ Doch wie ein Suizid verarbeiten, wie damit leben lernen? Reporter Christof Schneider geht diesen Fragen auf den Grund und begleitet dafür Jörg Weisshaupt bei seiner Arbeit mit Suizidhinterbliebenen. Redaktionshinweis: Die weiteren drei Teile von „Der Tod – das letzte Tabu“ zeigt 3sat an den kommenden Dienstagen im Nachtprogramm. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDi 14.01.20203satOriginal-TV-PremiereSo 17.11.2019SRF 1
  • Folge 2
    Unheilbar kranke Menschen haben das Anrecht auf Palliativpflege. „Reporter“ begleitet eine Schweizer Pflegefachfrau im Alltag. „Palliative Care“ ermöglicht Patienten ein Lebensende zu Hause. Livia De Toffols Auto ist ein Mini-Spital auf Rädern: Vom Infusionsständer bis zu Windeln hat sie alles dabei. Jeder Kilometer, den sie Tag und Nacht für die Stiftung „Palliaviva“ im Großraum Zürich unterwegs ist, wird mit Spenden finanziert. Etwa der Weg zu einer 49-jährigen Krebspatientin. „Die Chemotherapie hat sie erschöpft“, sagt die Pflegespezialistin.
    Die Patientin ist froh, dass sie auf dem Sofa bleiben kann, während ihr Livia De Toffol die Chemo abhängt. In Dübendorf betreut Livia De Toffol ein Ehepaar. Beide sind krebskrank. Er will nicht zu Hause sterben, denn dies würde die Kraft seiner Frau übersteigen. Bis zum Eintritt ins Spital leistet Livia De Toffol nicht nur medizinische Hilfe, sondern hilft auch beim Ausfüllen der Patientenverfügungen. Palliativpflege kann Jahre dauern, wie im Fall eines 71-Jährigen.
    Er hat Lungenkrebs. Livia De Toffol reinigt seinen Katheter und wechselt das Morphinpflaster. „Vor einem Jahr dachte ich, es sei Feierabend“, erzählt der Patient. Unter einer Immuntherapie hat er neue Hoffnung geschöpft. Jeder Handgriff sitzt bei der Pflegefachfrau. Ebenso wichtig ist aber das aufmerksame Zuhören. Darin ist Livia De Toffol geschult. Die 44-Jährige kann die Ängste der Kranken in Worte fassen und sie beruhigen. „Die Palliativmedizin hat große Fortschritte gemacht“, sagt sie. „Wir haben viele Möglichkeiten, Schmerzen zu lindern und bis am Schluss eine gute Versorgung zu Hause sicherzustellen.“ Die meisten möchten zu Hause sterben.
    „Wichtig dabei ist aber eine Familie, die das mittragen kann“, sagt Livia De Toffol. Sie lässt die Angehörigen im Sterbeprozess nicht allein, sondern unterstützt sie und erklärt ihnen, was passiert. Sogar im Sterben gebe es noch wertvolle Momente zu erleben. „Menschen sind Lebenskünstler, sie passen sich neuen Einschränkungen an“, sagt Livia De Toffol. „Und es gelingt ihnen dabei sogar, Glück zu erleben.“ (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDi 21.01.20203satOriginal-TV-PremiereSo 24.11.2019SRF 1
  • Folge 3
    Die Freitodorganisation „Exit“ sucht per Inserat nach „emotional gefestigten Persönlichkeiten zwischen 40 und 68 Jahren“, die bereit sind, als Freitodbegleiter zu arbeiten. Sechs Kandidaten sind ausgesucht worden, sie absolvieren derzeit eine Ausbildung. „Reporter“ stellt zwei von ihnen vor. Sterbehelfer ist wohl einer der ungewöhnlichsten Berufe der Schweiz. Wie lernt man, Todkranken den Sterbewunsch zu erfüllen? Jürg Billwiller ist angespannt. Seine zweite Freitodbegleitung steht bevor. „Wir besuchen einen Menschen, der sich entschieden hat, heute zu sterben.
    Ich frage mich, was in ihm vorgegangen ist letzte Nacht.“ Billwiller steigt im Bahnhof Zürich in den Zug nach Bern. Jedem Novizen wird ein erfahrener Sterbebegleiter zugeteilt. Bei Jürg Billwiller ist es Doris Wartenweiler. Sie weiß, worauf sie achten muss. Bei der Bahnfahrt zum Sterbeort lässt sie zum Beispiel den Koffer mit der Flasche, die das tödliche Mittel enthält, nicht aus den Augen: „Wenn es gestohlen würde, hätte ich ein riesiges Problem.“ Derzeit arbeiten rund 40 Sterbehelfer ehrenamtlich für Exit. Zu wenig für die steigende Zahl Menschen, die sich mithilfe der Organisation das Leben nehmen.
    Auch Sabine Schultze aus Chur macht die Ausbildung zur Freitodbegleiterin. Lange Zeit leitete sie ein Altersheim in der Innerschweiz. Gegen viel Widerstand hat sie verfügt, dass Exit dort Freitodbegleitungen durchführt. Was Sabine Schultze bei der Ausbildung lernt, geht ins kleinste Detail. „Reporter“ fährt mit ihr zu einer Sterbebegleitung. Zuvor macht sich die 63-Jährige im Bad zurecht. „Ich nehme nicht zu viel Parfüm“, sagt sie. „Sterbende mögen keine zu starken Gerüche, darauf nehme ich Rücksicht.“ Nächstes Jahr werden Sabine Schultze und Jürg Billwiller selbstständig den assistierten Suizid durchführen können.
    Mit dem Thema Suizid kennt Billwiller sich aus. Er war bis zu seiner Pensionierung Leiter des Polizeigefängnisses in Zürich. Dort kam es regelmäßig vor, dass Untersuchungshäftlinge sich das Leben nahmen. Billwiller wollte dies verhindern, entfernte die Kajütenbetten und ließ Panzerglas vor die Gitter schrauben. Früher hat er den Suizid verhindert, heute hilft Billwiller beim Freitod.
    Für ihn kein Widerspruch. „Suizid im Gefängnis passiert unter Druck, es ist eine Kurzschlusshandlung“, sagt er. „Jemand, der mit Exit stirbt, hat diesen Druck nicht.“ Reporter Thomas Vogel war dabei, als Jürg Billwiller in der Exit-Zentrale im Unterricht saß und als er seine zweite Sterbebegleitung durchgeführt hat. Und auch, als er abends müde von seiner Frau empfangen wurde. „Wenn ein Mensch gestorben ist, mache ich das Fenster auf, damit seine Seele raus kann“, sagt er. „Danach ziehe ich mich zurück. Erst wenn ich zur Ruhe gekommen bin, rede ich mit meiner Frau über das, was ich erlebt habe.“ (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDi 28.01.20203satOriginal-TV-PremiereSo 01.12.2019SRF 1
  • Folge 4
    „Wie lange soll mein Kind leben?“ Für Eltern eine der wohl traurigsten und zugleich brutalsten Fragen überhaupt. „Reporter“ traf Familien, die Antworten auf diese Frage finden müssen. Die Eltern von Ceren, Magali und Liam müssen sich mit dem Sterben ihrer Kinder auseinandersetzen. Wenn man sich gegen lebenserhaltende Maßnahmen entscheidet, hat man dann trotzdem genug gekämpft? Wie egoistisch ist es, wenn man nicht loslassen kann? Die 13-jährige Ceren kann nicht mehr sprechen, sich nicht mehr bewegen und muss künstlich beatmet und ernährt werden. Ohne diese Maßnahmen wäre Ceren längst tot.
    Sie leidet an Morbus Pompe, einer neuromuskulären Erkrankung. Für ihre Eltern, die das sterbenskranke Mädchen daheim pflegen, ist klar, dass ihre Tochter im Kreis der Familie sterben soll. Wann? Nie. So der natürliche Wunsch der Eltern. Und doch fragen sie sich: Was hat Ceren noch von diesem Leben? „Sie hat heute kurz gelächelt.“ Für die Eltern ein untrügliches Zeichen, dass ihre Tochter noch dableiben mag. Magali ist soeben 15 Jahre alt geworden und hat ihren Geburtstag zusammen mit ihren Freundinnen zu Hause gefeiert. Oft sieht sie diese nicht mehr. Magali leidet an Rasmussen-Enzephalitis, einer lebensbedrohlichen Krankheit, die das Hirn schädigt.
    Aus dem gesunden Mädchen, das sie war, ist ein schwerstbetroffener Teenager geworden. Sie ist sowohl kognitiv als auch körperlich eingeschränkt. Im Frühling dieses Jahres wäre Magali fast gestorben. Ihre Eltern sind aufgrund der Krankheit gezwungen, sich mit dem Tod ihrer Tochter auseinandersetzen. Sowohl Magalis als auch Cerens Familie werden vom Palliative Care Team des Zürcher Kinderspitals auf ihrer Suche nach Antworten begleitet. Ein Prozess, der sich im Verlauf der Krankheit immer wieder ändern kann.
    Laut der Palliativmedizinerin Eva Bergsträsser ist eine solche Unterstützung wichtig und folgenschwer: „Die Eltern müssen mit der Entscheidung, etwas künstlich zu beschleunigen oder abzubremsen, im Nachhinein weiterleben.“ Liams Eltern haben bis zum Schluss um das Leben ihres Sohnes gekämpft. Er ist mit drei Jahren an Leukämie gestorben. „Wir wollten, dass Liam am Leben bleibt“, erzählen die Eltern der Reporterin Vanessa Nikisch im Film. „Deshalb kam für uns ein Therapieabbruch nicht infrage.“ Erst ganz am Ende seien sie mit der Frage „Wie weiter?“ konfrontiert gewesen. „Doch Liam hat uns die Entscheidung abgenommen.“ (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereDi 04.02.20203satOriginal-TV-PremiereSo 08.12.2019SRF 1

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