60 Jahre ZDF! – 16 Erinnerungen und Glückwünsche an den Sender auf dem Lerchenberg

Nostalgische TV-Rückblicke, Anekdoten und persönliche Geschichten

fernsehserien.de-Redaktion – 31.03.2023, 12:00 Uhr

Mario Müller, Redakteur

Von der Baracke zum Lerchenberg

Natürlich war „Wetten, dass..?“ auch für einen 1980 geborenen Thüringer das ultimative TV-Highlight. Wie kriegt man sonst live LKWs, verrückte Wetten und hochkarätige Weltstars ins ostdeutsche Wohnzimmer? Auch, wenn alles nur in einem kleinen Flimmerkasten (ohne Fernbedienung!) stattfand. Nach dem Mauerfall reiste ich dann weniger durch die Welt, als vielmehr zur Erfurter Messe, zur Berliner Waldbühne und gleich zweimal nach Friedrichshafen, um mich aus nächster Nähe von Gottschalks Schlagfertigkeit und der hohen Produktionsqualität überzeugen zu können, die das ZDF in seine Prestige-Sendung steckt.

Thomas Gottschalk ZDF/​Tobias Schult

Aber zunächst mal war man ja Kind. Das ZDF gab’s schon ne Weile, und der lustige Peter war auch für mich einer der Ersten, der mir die Welt so erklärte, dass ich sie verstand. Nach den Hausaufgaben hatte ich die Wahl zwischen dem Vorabendprogramm der ARD (das über unsere Antennen-Gemeinschaftsanlage eingespeist wurde, damals noch regional getrennt war und für uns vom Hessischen Rundfunk kam) und dem des ZDF. Wenn Anwalt „Matlock“ sein Banjo zupfte, im „Heim für Tiere“ die Fütterung anstand oder bei den „Wicherts von nebenan“ kleine Nachbarschaftsgeschichten großartig erzählt wurden, entschied ich mich für die Mainzer. Mit der „SOKO 5113“ konnte ich damals noch nicht so viel anfangen. Dafür aber mit den herrlich abgedrehten „Fällen des Harry Fox“, wo der brillante Jack Warden als alternder Privatdetektiv in San Francisco seinen Rechtsanwalt-Sohn und dessen Familie immer wieder in die größten Schlamassel hineinzog.

Es ist eine Schande, dass diese Serie seit 1996 nicht mehr im Free-TV gezeigt wurde und auch bisher nicht auf DVD erschien. Nicht zu vergessen auch „Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert“! Auch diese erfolgreichste aller „Star Trek“-Serien wurde in Deutschland zuerst vom ZDF gezeigt. Prägend in Sachen Humor waren für mich natürlich „Die Muppet Show“, „ALF“ und „Bill Cosbys Familienbande“, wie die später als „Bill Cosby Show“ bekannte Serie zuerst im ZDF hieß. Die Welt war zwar auch zu jener Zeit schon nicht ganz in Ordnung, aber vieles schlummerte noch unerkannt unter einer wohlig-weichen Fernsehdecke.

Wenn einem Sendungen auch nach vielen Jahren nicht aus dem Kopf gehen, obwohl sie wie vom Erdboden verschluckt scheinen, müssen sie irgendwas ganz Besonderes an sich gehabt haben. Dazu zähle ich „Wartesaal zum kleinen Glück“, eine Serie, die in zwei Staffeln 1987 und 1990 erstausgestrahlt und dann vier Jahre später nur ein einziges Mal wiederholt wurde. Das unspektakuläre, aber irgendwie unterhaltsame Kammerspiel in der Gaststätte eines Kleinstadtbahnhofs kann ich nicht vergessen. Mit Grit Boettcher am Zapfhahn der Theke, Andreas Mannkopff als Dauergast und Rick de Gooyer als holländischem Koch.

Tommy Ohrner als Timm Thaler (links) und Susanne Bessen ZDF/​TV 60

Einen besseren Erhaltungsgrad im kollektiven Gedächtnis hat da schon „Timm Thaler“, den ich 1988 in der dann schon zweiten Wiederholung zum ersten Mal sah. Besonders Horst „Baron de Lefuet“ Franks beeindruckende Behausung faszinierte mich. Aber es sollte noch gut 20 Jahre dauern, bis ich erfuhr, dass sich das teuflisch-ungewöhnliche Vulkan-Anwesen auf Lanzarote befand. Und vor kurzem hatte ich endlich die Möglichkeit, mir den auch heute noch existierenden Drehort persönlich anzuschauen, an dem das ZDF 1978 auf der Insel drehte.

Ich weiß nicht mehr, wie es hieß, aber ich wage zu behaupten, dass das ZDF mit diesem kleinen Spiel mit Moderatorin Babette Einstmann am Nachmittag eine Vorreiterrolle in Sachen Interaktivität einnahm. Die Zuschauer mussten sich durch eine animierte Version der ZDF-Sendezentrale in Mainz navigieren und Türen öffnen, hinter denen sich Sendungsausschnitte versteckten, mit deren Hilfe man irgendeine Kleinigkeit gewinnen konnte. Heute viel zu unspektakulär – damals für mich als Teenager ein Knaller. Naja, vielleicht kein Knaller, aber in jedem Falle unterhaltsamer als Werbung.

In seiner Rolle als „Hitparaden-Onkel“ konnte ich mit Dieter Thomas Heck nichts anfangen. Aber für mich war er der Held der „Pyramide“. Wenn er mit seinem Schiedsrichter am Telefon strittige Situationen diskutierte und die Promis sich wild und witzig um Kopf und Kragen gestikulierten, klebte ich am Fernseher. Die US-Gameshow war in ihrer deutschen ZDF-Version damals einzigartig in Sachen Tempo und Humor und beeindruckte mich auch durch die extra für den deutschen Markt von Gershon Kingsley komponierte, unvergessliche „Larger than life“-Titelmusik.

Auch bin ich dankbar, dass ich den wohl fleißigsten Unterhaltungs-Arbeiter der deutschen Radio- und TV-Geschichte noch zu Lebzeiten auf dem Bildschirm sehen durfte. Hans Rosenthal, der den Nazi-Terror überleben konnte, weil ihn drei nicht-jüdische Berlinerinnen in einer Kleingartenanlage versteckten, wurde mit seinen unzähligen Show-Ideen und akribischen Tests derselben zur unerreichten Legende. Nachdem er bereits viele Jahre große Radio-Sendungen für den RIAS ersonnen und umgesetzt hatte, feierte er im ZDF mit seinen Quiz-Shows die größten Erfolge. Am bekanntesten natürlich „Dalli Dalli“, das mit seinem Tempo und den aufwändig gebauten Aktionsspielen alle bis dahin zu oft eher dröge und verschnarcht vorkommenden Sendungen in den Schatten stellte. Rosenthals Konzept dieses „Kindergeburtstags für Erwachsene“ war und ist so gut, dass es auch heute noch immer mal wieder reaktiviert wird. Meiner Ansicht nach sollte „Dalli Dalli“ unbedingt öfter laufen, zumal das ZDF nach wie vor die Namensrechte am Original hat. Über die passende Moderation kann man ja streiten.

Während mir bei der ARD als Programmansager noch Dénes Törzs einfällt, kann ich mich beim ZDF namentlich ausschließlich an Frauen erinnern. Elke Kast, Sibylle Nicolai und Birgit Schrowange kriege ich spontan und ohne zu googlen zusammen, sie führten durch das Programm, fassten Filme und Shows kurz inhaltlich zusammen und machten Lust, auf das, was da gleich beginnen würde. Bei „Na sowas!“ wäre das gar nicht nötig gewesen, das war schon als Fünf- bis Siebenjähriger für mich Pflicht. Mit dieser von Holm Dressler betreuten Personality-Show empfahl sich der Anfang der 80er von der ARD zum ZDF gewechselte Paradiesvogel Thomas Gottschalk endgültig bei Frank Elstner für die Übernahme von „Wetten, dass..?“ Und im Duo mit seinem alten BR3-Radiokumpel Günther Jauch gestaltete er die „Goldenen Zeiten“ der Internationalen Funkausstellung IFA, als 1989 und 1991 „Die 2 im Zweiten“ jeden Nachmittag mehrere Stunden live aus Berlin sendeten und für traumhafte Quoten sorgten. An solche aufwändige Shows traut sich heutzutage niemand mehr heran. Wer soll’s machen? Wer soll’s bezahlen? Und ohne die großen Sender ist die IFA nur noch ein Schatten ihrer selbst, die Nähe zum Medium und deren Machern geht verloren, und jetzt tauchen auch noch die ersten Spekulationen über die mögliche Einstellung des „Fernsehgartens“ auf.

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Sendungen fallen mir ein, die ich nur ungern unter den Tisch fallen lassen möchte, auch „1, 2 oder 3“ mit Michael Schanze und Biggi Lechtermann, die legendäre „Knoff-hoff-Show“ oder Dieter Hallervordens schräge Nervensägen-Serie „Didi – Der Untermieter“ habe ich in guter Erinnerung. Auch Wim Thoelke mochte ich sehr wegen seiner sympathischen Art, auch wenn ich den „großen Preis“ zu behäbig fand. Und nicht ohne Grund sicherte ich mir schon vor elf Jahren die Internetdomain „Telesibirsk.de“, um das ZDF standesgemäß zu würdigen. Denn so nannten die frühen Mitarbeiter ihre ersten provisorischen Bürocontainer in Eschborn, die sie bei Regen nur erreichten, wenn sie durch den Schlamm wateten.

Markus Lanz, der ZDF-Quotengarant am späten Abend ZDF/​Markus Hertrich

Heute ist der Schlamm vergessen und es regiert der „Shiny Floor“. Für hausinterne Skandale ist bei den Öffentlich-Rechtlichen arbeitsteilig offensichtlich die ARD zuständig, und bei den Kollegen aus Mainz stimmen sogar die Einschaltquoten. Für jüngeres Publikum scheint man ein Konzept zu haben, das dank des immensen Erfolgs von Formaten wie „heute-show“ und „ZDF Magazin Royale“ offenbar auch immer mutigere Programmveränderungen zulässt. Ich schalte inzwischen auch sehr gerne beim inhaltlich immer wieder positiv überraschenden „heute journal“ ein, und die Zeiten, in denen man sich als regelmäßiger Zuschauer von „Markus Lanz“ „outen“ musste, sind auch vorbei. Er und seine hervorragende Redaktion bekommen endlich die Ehre, die sie schon viel länger verdienten.

Ich kann mir vorstellen, dass größere inhaltliche und strukturelle Veränderungen auch beim ZDF allein wegen seiner Größe schwierig durchzusetzen sind. Aber die aktuellen Entscheidungsträger scheinen da einen ganz guten Job zu machen, sodass ich für die nächsten 60 Jahre zuversichtlich bin. In diesem Sinne: Prosit, alles Gute und – GUDN AAMD!

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