Dokumentation in 2 Teilen, Folge 1–2

  • Folge 1
    Die Treuhand wird bis heute für das Trauma der Wendezeit verantwortlich gemacht. „ZDFzeit“ beschreibt in einer zweiteiligen Dokumentation die schmerzhaften Anpassungsprozesse. Der Freudentaumel war schnell verflogen: Jobverluste, Firmenpleiten und das Veröden ganzer Landstriche prägen das Nachwende-Empfinden im Osten bis heute. Hat die Treuhand versagt, oder war die schmerzhafte Abwicklung der DDR-Wirtschaft unvermeidlich? „Uns wurde gesagt, dass unser Betrieb von der Treuhand übernommen wird und dass es sicher eine Möglichkeit gibt, wie der Betrieb weiterexistieren kann“, erinnert sich Antonia Kalich.
    Alle sind überzeugt: Das schaffen wir. Doch dann erwischt es ihren Betrieb, VEB Elektroporzellan in Großdubrau, gleich am Anfang. Eine Sanierung sei aussichtslos, da das Werk fehldimensioniert und der Umsatz rückgängig sei, so die Bewertung der Treuhand. Die Mitarbeiter werden entlassen. Selbst der technische Direktor, damals 51 Jahre alt, hat – wie so viele – nie mehr eine Stelle bekommen. Bis heute merkt er das an seiner kleinen Rente. So wie ihm ist es vielen ergangen. Auch Familie Heißig wird von den Veränderungen überrollt. Vater Werner hat vor der Wende in Eisenach den Wartburg mit gebaut.
    Das ganze Leben ist mit dem Betrieb verbunden. Mit der Treuhand kommt das Aus. Ein Eindruck, der sich bis heute bei vielen festgesetzt hat. In einer Umfrage von „ZDFzeit“ sind fast 80 Prozent der Ostdeutschen der Meinung, dass sich die Treuhand nicht bemüht hat, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten. Sie steht für das gnadenlose West-System, dem eine ostdeutsche Biografie nichts gilt, das sich im schlimmsten Fall gar mit kriminellen Methoden DDR-Vermögen unter den Nagel reißt. So wie bei der Firma Dampfkesselbau Hohenthurm bei Halle.
    Sie gerät in den Besitz eines Betrügers, der die Firma ausnimmt und in den Ruin treibt. Auch mehrere Treuhand-Mitarbeiter sind involviert. Fälle wie dieser prägen ein katastrophales Bild der Institution, die eine beispiellose Aufgabe stemmen muss: Ein ganzes Land soll innerhalb kürzester Zeit von Plan- auf Marktwirtschaft umgestellt werden. Mehr oder weniger über Nacht wird die Treuhand aus dem Boden gestampft. Ihre Ausstattung ist anfangs so dürftig, dass die Behörde nur eingeschränkt arbeitsfähig ist. Trotzdem muss sie schon in den ersten Jahren 8500 Großbetriebe privatisieren, sanieren oder abwickeln.
    Viele Ostdeutsche fühlen sich auch Jahrzehnte später noch entwertet, abgewickelt und ausgeplündert. Noch heute sind 33 Prozent von ihnen der Meinung, dass vor allem der Westen von der Wiedervereinigung profitiert hat. Das weiß vor allem die AfD für sich zu nutzen und inszeniert sich im Osten als Gegenentwurf zu den westlichen „Altparteien“, der das „ungerechte Erbe“ zu beseitigen versucht. Aber war die Treuhand wirklich so schlecht wie ihr Ruf? Oder hat sie den Transformationsprozess zur Marktwirtschaft im Großen und Ganzen gut bewerkstelligt? (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 22.10.2019ZDF
  • Folge 2
    Hat die Treuhand die ostdeutsche Industrie plattgemacht und ein kollektives Trauma ausgelöst? Oder war sie ein willkommener Blitzableiter für den Zorn der Menschen? Auch 30 Jahre nach der Wende wird darüber gestritten, wie gut oder schlecht die Anstalt ihren Job gemacht hat. Der zweite Teil der Bestandsaufnahme widmet sich den Jahren 1991 bis 1995 unter Treuhand-Präsidentin Birgit Breuel. Dass sich in den 90ern nicht nur Ostdeutsche an der Treuhand die Zähne ausbeißen, zeigt das Beispiel von Christopher Schwarzer aus München. Er analysiert für die Treuhand Ostbetriebe.
    Von dem VEB Elastic Mieder, der in Zeulenroda Unterwäsche herstellt, ist er so begeistert, dass er seinen Job an den Nagel hängt und als Investor einsteigt. Der Umsatz verdreifacht sich, die Firma gilt wieder als Vorzeigeobjekt. Dann fordert die Treuhand die Darlehen ein: drei Millionen D-Mark. Die finanzielle Situation des Unternehmens wird kritisch. Schwarzer hofft auf Entgegenkommen, es geht immerhin um die Arbeitsplätze von 200 Angestellten. Doch die Treuhand bleibt hart. Am Ende steht die Insolvenz. Einer von vielen DDR-Betrieben, der trotz des großen Einsatzes von Geschäftsführung und Belegschaft nicht überlebt hat.
    Die einen nehmen das als Beleg für die marode DDR-Wirtschaft. Die anderen sind der Meinung, dass so manche Firma zu retten gewesen wäre, hätte die Treuhand wirklich Interesse daran gehabt. Viele bekannte DDR-Betriebe und ihre Produkte verschwinden in diesen Jahren. Zu den Ausnahmen gehört die Schokoladenfabrik Halloren aus Halle. Die alteingesessene Firma ist zur Wendezeit zwar ziemlich heruntergekommen, aber die Treuhand glaubt an den Wert der Marke und liquidiert nicht sofort. 1992 steigt ein westdeutscher Investor ein, der den Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg legt.
    Doch die Treuhand hat ihren miesen Ruf weg – bis heute. Selbst 30 Jahre nach der Wende ist bei vielen die Wut nicht verflogen. Die sächsische Staatsministerin Petra Köpping fordert eine „Wahrheitskommission“, die Bilanz ziehen soll. Wie hat die Treuhand eigentlich gearbeitet? Welche Kriterien waren entscheidend für die Bewertung von Firmen? Der Druck, unter dem die Behörde damals steht, ist in der Öffentlichkeit kein Thema. Hier spielt die Konfrontation die Hauptrolle.
    Bis zum Schluss. In Bischofferode protestieren die Kumpel des Kalibergwerks mit einem Hungerstreik gegen die Schließung. Sie vermuten Konkurrenz-Ausschaltung als wahren Beweggrund und sehen die Treuhand als Steigbügelhalter des Turbo-Kapitalismus. Trotz der massiven Kritik bewerten viele Ex-Treuhand-Mitarbeiter ihre Arbeit noch heute positiv. Auch die langjährige Chefin Birgit Breuel wehrt sich gegen Pauschalurteile. Sie räumt Fehler ein und bleibt doch dabei: „Ich fand den Weg, für den sich ganz Deutschland damals entschieden hat, grundsätzlich richtig. Das denke ich auch heute noch.“ (Text: ZDF)
    Deutsche TV-PremiereDi 29.10.2019ZDF

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