Dokumentation in 2 Teilen, Folge 1–2

  • Folge 1
    Schätzungen zufolge leben etwa 40 000 Transmenschen in der Schweiz. Transmenschen fühlen sich nicht dem Geschlecht zugehörig, dem sie bei der Geburt zugeordnet wurden. Sie identifizieren sich entweder als das andere Geschlecht, als zwischen den Geschlechtern oder als ein bisschen von allem. Sie sind überzeugt: Was zur Identität zählt, ist die Seele, nicht der Körper. Der „DOK“-Zweiteiler hat verschiedenen Transmenschen begleitet. Schon als kleines Kind fühlte sich Andrea von Aesch als Mädchen, obwohl sie unter dem Namen Andreas als Junge großgezogen wurde.
    Heimlich zog Andreas die Kleider seiner Mutter an. Bis ihn eines Tages der Vater dabei erwischte und mit dem Kinderheim drohte. Über 40 Jahre lang verdrängte Andrea dieses Geheimnis und litt darunter, sich niemandem anvertrauen zu können. Nicht einmal der eigenen Frau Nelly, trotz 25 Jahren Ehe. Abends, wenn Nelly schlief, zog Andreas los, fuhr mit dem Auto an den Waldrand und spazierte durch die Dunkelheit. Manchmal mit etwas Lippenstift, manchmal in einem Rock oder in Stiefeln mit Absätzen.
    Für Andrea waren diese Momente wie das Öffnen einer Tür in eine andere Welt. Eine Welt, in der sie das sein durfte, was sie immer schon war: eine Frau. Eines Tages entdeckte Nelly die Frauenkleider in der Garage. Sie war sich sicher, dass Andreas eine Geliebte hatte, und es kam zur Konfrontation. Was sie dann erfuhr, war für Nelly ein Schock: Was wird aus ihrer Ehe? Wie wird die Familie reagieren, was werden die Freunde und Nachbarn sagen? Und was bedeuten die Veränderungen für Nelly selbst? Muss sie jetzt lesbisch werden? Andreas heißt jetzt Andrea und nimmt seit zwei Jahren regelmäßig Hormone zu sich.
    Auch eine geschlechtsangleichende Operation ist geplant. Andrea hat davor keine Angst. Im Gegenteil: Sie freut sich darauf, ihren Körper endlich ihrem weiblichen Geschlecht anzupassen. Inzwischen hat sie sich auch im engeren Familienkreis, bei Freunden und auch beim Arbeitgeber, geoutet. Glücklicherweise kann sie ihren Job fortführen, den sie bereits vor dem Coming-out ausübte: Andrea ist leidenschaftliche Reisebusfahrerin.
    Manchmal wünscht sich Nelly, Andrea würde sich nicht so schnell verändern, sie fühlt sich ihrem Mann immer noch stark verbunden. Sie ist sich sicher, dass Andreas noch da ist. Irgendwo unter der Haut von Andrea. Andrea sagt, sie liebt ihre Frau. Auch als Frau. Allerdings weiß sie nicht, ob sie sich vielleicht eines Tages in einen Mann verlieben könnte. Trotz der großen Veränderungen und Herausforderungen wollen die beiden zusammenbleiben. Der „DOK“-Film von Béla Batthyany hat das Ehepaar ein Jahr lang auf ihrem Weg begleitet. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereMi 16.01.20193satOriginal-TV-PremiereDo 25.01.2018SRF 1
  • Folge 2
    „Ich bin ein Mann“, „ich bin eine Frau“: Für die meisten Menschen ist diese Aussage eine Selbstverständlichkeit. Doch nicht für alle. Bei Transmenschen stimmt das gefühlte und das bei der Geburt zugewiesene Geschlecht nicht überein. Der „DOK“-Zweiteiler vermittelt ein differenziertes Bild von Transmenschen in der Schweiz. Nico Gaspari, 43, ist ein Transmann. Er wurde bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet und spritzt sich seit 16 Jahren regelmäßig Testosteron. Er trägt einen dichten Bart und hat eine tiefe Stimme.
    Nico ließ sich damals seine Brüste, die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernen. Heute arbeitet er als Pflegefachkraft in einem Altersheim. Von seiner Transidentität wussten seine Mitarbeitenden lange nichts. Er wollte dies am Arbeitsplatz nicht zum Thema machen. Rechtlich gesehen ist Nico Gaspari dazu nicht verpflichtet. Und rein äußerlich weist nichts darauf hin. Transfrauen haben es diesbezüglich oft schwerer: Caroline Schürch, 55, ist in einem biologisch männlichen Körper geboren. Sie ist groß gewachsen, mit breiten Schultern und einer tiefen Stimme.
    Daran ändern auch die Hormone nichts, die sie seit ein paar Jahren einnimmt. Früher war sie verheiratet und Vater dreier Kinder. Mit der Transition brach die Familie auseinander, und Caroline verlor ihre Arbeit. Seither ist sie auf Stellensuche. Eine vom Transgender Network Switzerland (TGNS) durchgeführte Befragung aus dem Jahre 2012 zeigt Erschreckendes: Während der Transition, dem Übergang vom Leben als Mann zu jenem als Frau oder umgekehrt, verlieren viele ihre Arbeitsstelle. Die Suizidrate ist bei Transmenschen 40 Mal höher als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung.
    Blickt man Simon und Renja Kägi, 22, in die Augen, sieht man einen Bruder und eine Schwester, die sich sehr ähnlich sehen. Was kaum jemand vermutet: Die beiden wurden als eineiige Zwillingsschwestern geboren. Noch heute kann sich Simon an den Ekel erinnern, den er damals als junges Mädchen vor sich selbst hatte: vor den eigenen Brüsten, der Menstruation. In der Schule wurde Simon oft gehänselt, weil er seine Beine nicht rasieren wollte.
    Noch heute sieht sich Simon als Einzelgänger. Doch er fühlt sich glücklich. Seine männliche Identität gibt ihm Kraft, Schutz und Selbstsicherheit. Schätzungen zufolge leben etwa 40 000 Transmenschen in der Schweiz. Transmenschen fühlen sich nicht dem Geschlecht zugehörig, dem sie bei der Geburt zugeordnet wurden. Sie identifizieren sich entweder als das andere Geschlecht, als zwischen den Geschlechtern oder als ein bisschen von allem. Sie sind überzeugt: Was zur Identität zählt, ist die Seele. Nicht der Körper. Der „DOK“-Zweiteiler hat verschiedenen Transmenschen begleitet. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereMi 16.01.20193satOriginal-TV-PremiereDo 01.02.2018SRF 1

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