Dokumentation in 2 Teilen, Folge 1–2

  • Folge 1
    Das Wort „Gulag“ ist die Kurzform für „Glawnoje Uprawlenije Lagerej“, zu Deutsch „Hauptverwaltung der Lager“ und bezeichnet weder ein Gefängnis noch einen geografisch genau festlegbaren Ort, sondern ist der administrative Ausdruck einer Denkweise. Er ist Synonym für das wohl dunkelste Kapitel der ehemaligen Sowjetunion. Die Geschichte der Lager beginnt 1920 mit der Errichtung des ersten Gulag auf den Solowki-Inseln, in das Oppositionelle aller Couleur gesperrt werden und das später Alexander Solschenizyn als Vorbild für seinen Roman „Der Archipel Gulag“ dient.
    Mit der Schließung der Lager im Jahr 1960 ist ihre Geschichte aber noch nicht zu Ende, denn es leben noch immer Menschen dort, zumeist Nachfahren ehemaliger Häftlinge. Der Film macht den Versuch, vorgefassten Meinungen zu entgehen und in ein anderes, tiefgründigeres und geheimnisvolleres Russland einzutauchen, in das Russland der Schweigenden, die weder Memoiren noch Zeugenberichte hinterlassen haben. Diese Menschen in den Dörfern und Werkstätten machten fast 40 Jahre lang den Großteil der Bevölkerung in den Lagern und Regionen aus, die von der Zentralen Lagerleitung verwaltetet wurden.
    Die Filmemacher beschränken sich auf die Beschreibung der großen Lager im Norden, denn das waren die extremsten und mythischsten, die Solowki-Inseln im Weißen Meer und Kolyma im Nordosten, 5000 Kilometer von Alaska entfernt. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereFr 16.06.2000arte
  • Folge 2
    Der zweite Teil des Dokumentarfilms über die Straflager der Sowjetunion führt zunächst in das Erdöl- und Steinkohlebecken von Uchta-Wokura. In den ersten Jahren glich das Lager, das weder durch Wachtürme noch Stacheldraht gesichert war, mehr einer Riesenbaustelle als einem Straflager. Im Zuge der wechselnden Stalinschen Gulag-Politik wurde die Lagerorganisation immer wieder umstrukturiert. Im Mittelpunkt des Berichtes steht der Aufseher Nowikow. Er hat das Gebiet seit seiner Ankunft zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht verlassen, denn die Aufgabe des Postens galt als Verrat.
    Noch heute lebt er an dem Ort, wo sich einst das Lager befand. Die Stadt Uchta will inzwischen nichts mehr von ihrer Vergangenheit wissen. Der letzte Teil des Films gilt der Kolyma, einer Region mit Gold- und Uranvorkommen. Die Gegend ist nur vom Meer her zu erreichen, denn sie liegt hinter der unwegsamen sibirischen Taiga. Die Kolyma wurde als der größte Straflagerkomplex des Gulags zum Archetyp eines Straflagers. Warlam Schalamow wurde 1937 hier inhaftiert und blieb 17 Jahre in der Kolyma. Er wurde ihr Schreiber. An seiner Geschichte des Lagers lässt sich die Geschichte der UdSSR ablesen.
    Vor 1937 war das Lager eine Welt mit halbwegs vertrauten Strukturen, nach 1937 brach die geschichtslose Zeit an. Die Kolyma war vielleicht eine der sowjetischsten Regionen der ganzen UdSSR. Die Reise durch die Kolyma, deren Bewirtschaftung zu kostspielig wurde und die seit zehn Jahren brach liegt, leitet über zur Auseinandersetzung mit den auch damals nicht immer klaren Abgrenzungen zwischen Unschuldigen und Schuldigen, Freien und Gefangenen. Im Lageralltag wurden die Gründe für die Internierung des Einzelnen bedeutungslos.
    Die Biografie des Intellektuellen und politischen Häftlings Warlam Schlamow kontrastiert mit dem Leben des Kolchosbauern Prochor Prochorowitsch, der mit 18 Jahren in Kriegsgefangenschaft geriet und zehn Jahre lang in Workuta und in der Kolyma im Bergwerk arbeitete. Mit seinen sieben Hunden lebt er allein in einer verlassenen Siedlung. „Für die Politischen“, sagt er, „war das Lager hart und unerträglich. Aber für mich, der vom Kolchos kam, gab es keinen großen Unterschied.“ Unter seiner Petroleumlampe – Strom gibt es nicht mehr – hängt ein Stalinporträt. (Text: arte)
    Deutsche TV-PremiereFr 23.06.2000arte

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