Folge 12

  • 12. Passion Oberammergau

    Folge 12
    Seit 1634 finden alle zehn Jahre die Passionsspiele in Oberammergau statt. 2020 mussten sie wegen der Pandemie verschoben werden. Umso größer ist die Freude über die 42. Passion jetzt.
    Wladimir Kaminer hat die Proben begleitet und fiebert mit, wenn ein ganzes Dorf Kopf steht: „Es ist einzigartig zu erleben, wie identitätsstiftend die Passionsspiele wirken, gerade in Zeiten wie diesen, und wie Kultur die Menschen vereint.“
    Dankbar darüber, dass die todbringende Pest endlich abgezogen war, schwor das kleine Dorf Oberammergau, alle zehn Jahre das Leiden, Sterben und die Auferstehung Christi aufzuführen. Und sie haben ihren Schwur gehalten: Längst ist aus den dörflichen Passionsspielen ein kulturelles und spirituelles Großereignis geworden. Auf der größten überdachten Freilichtbühne der Welt stellen fast 1000 Schauspielerinnen und Schauspieler, Statistinnen und Statisten die letzten fünf Lebenstage von Jesu Christi nach.
    Die „Passion“, wie die Einwohner sagen, bestimmt den Lebensrhythmus im Dorf. Gut ein Drittel der Bewohner des 5000-Seelen-Örtchens ist an der Produktion beteiligt, darunter auch 450 Kinder. Das Spielrecht ist streng: Mitmachen dürfen ausschließlich gebürtige Oberammergauerinnen und Oberammergauer, „Zugereiste“ hingegen nur, wenn sie seit mindestens 20 Jahren im Ort leben. 103 Vorstellungen bringen sie auf die Bühne, und das über fünf lange Monate.
    Schon zum vierten Mal leitet Christian Stückl die Festspiele: Aschermittwoch 2021 verkündete er bereits den Haar- und Barterlass, seitdem wurde kein Haar mehr geschnitten, kein Bart mehr rasiert in Oberammergau. So sollen die Darsteller ihr biblisches Aussehen bekommen für die Spiele.
    Für jede Inszenierung schreibt Stückl große Teile des Texts um und passt sie dem Zeitgeist an. Stückl hat mit vielen Traditionen gebrochen – und das nicht immer nur zur Freude der Einwohnerinnen und Einwohner: Dank ihm dürfen jetzt auch verheiratete Frauen auf der Bühne stehen, Muslime spielen mit, es wird auf Hebräisch gesungen.
    „Ich laufe eigentlich nur noch mit so einer Art Casting-Brille durch den Ort und bin immer auf der Suche nach neuen Darstellern“, erzählt der Spielleiter Wladimir Kaminer.
    Frederik Mayet spielt den Jesus schon zum zweiten Mal nach 2010, er stammt aus einer Holzbildhauer-Familie und stand schon als Kind auf der Festspielbühne. „Man wächst da so rein als Kind, und da ist so viel Herzblut dabei. Das ist tatsächlich etwas ganz Besonderes, wenn man Teil von dem Dorf ist, von der Gemeinschaft. Man wächst so zusammen und bringt zusammen etwas auf die Bühne.“
    Für Monika Lang ist es bereits die siebte Passion. Sie selbst sorgte dafür, dass sie als Mutter und Frau von über 35 Jahren überhaupt mitspielen darf. Bis 1990 waren verheiratete Frauen und alle jenseits dieser Altersgrenze ausgeschlossen vom Spiel. Mit ihrer Klage erwirkte Lang, dass nun Gleichberechtigung herrscht. So spielt in diesem Jahr auch erstmals ein Muslim eine Hauptrolle: Cengiz Görür gibt den Judas.
    Nunmehr zum dritten Mal obliegt Bühnenbauer Stefan Hageneier die heikle Aufgabe, für die 2000 Jahre alte Bibelgeschichte immer wieder eine neue Ästhetik zu setzen. Zwei Jahre arbeitet er an den Entwürfen. Insgesamt 50 Schneider, Tischler, Bühnenmaler, Bildhauer, Requisiteure und sonstige Gewerke setzen seine Ideen um, fertigen 2500 Kostüme an, ebenso das 40 Kilogramm schwere Kreuz und zahlreiche überdimensionierte Engelsschwingen.
    Oberammergau lebt von und mit der Passion: Hotels, Souvenirläden, Restaurants – sie alle sind wirtschaftlich abhängig von den Festspielen. Das „Hotel zur Post“ ist älter als die Passion und seit dem 19. Jahrhundert in Familienhand der Preisingers. Manche Stammgäste feiern 2022 ihre achte Passion, für Anton Preisinger Senior selbst ist es die sechste. Wie in vielen Oberammergauer Familien gehört das Schauspielen zur Tradition: Antons Großvater spielte zweimal den Jesus und war danach Festspielleiter, sein Vater gab ebenfalls den Pilatus, und sein Sohn spielt diesmal den Johannes.
    Wladimir Kaminer reist natürlich auch zur Premiere wieder an. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereSa 23.07.20223sat

Cast & Crew

Sendetermine

Sa 01.10.2022
19:20–20:00
19:20–
Sa 23.07.2022
20:15–21:15
20:15–
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