‚Es jauchzet das Erste‘

Medienstimmen zum Abgang von Sabine Christiansen

Jutta Zniva – 23.06.2006

Nur wenige Stunden nach der überraschenden Bekanntgabe, dass Sabine Christiansen ihre ARD-Polit-Talkshow im September 2007 aufgeben und Günther Jauch die Moderation übernehmen wird, finden sich im Feuilleton Analysen des Abgangs von Deutschlands erster „Polittalk-Lady“. Es wird zum angekündigten Abschied nicht wirklich geweint …

Im „Spiegel“ berichtet Peer Schrader in seinem Artikel „Es jauchzet das Erste“ über die Feierstimmung, die dem bei der ARD telefonisch nachfragenden Journalisten entgegenschlägt: Irgendwie seien dort „alle ein bisschen in Sektlaune und kichern albern, wenn man sagt, man rufe wegen Jauch an. Wie genau die Show aussehen soll? Keine Ahnung, hihi. Wann die Verträge unterschrieben werden? Püüüh, wenn man das jetzt schon wüsste. Wer denn produziert? Schweigen.“

Dass Pressemeldungen zu neuen Sendungen herausgegeben würden, für die noch nicht mal die Verträge unterschrieben sind, passiere sonst bei der korrekten ARD nicht: „Aber diesmal ging es nicht anders: ARD-Programmchef Günter Struve hat einen echten Scoop gelandet, einen in Harald-Schmidt-Dimension.“

Jörg Thomann meint in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, mit dem Rückzug Sabine Christiansens gehe ein Symbol für den Zustand Deutschlands verloren, das seit Jahren unter einer „Christianisierung“ leide: „Es wird geredet und geredet, aber es geschieht anscheinend nichts. ‚Sabine Christiansen‘ war ein Ritual, das sonntagabendliche Gegenstück zum Gottesdienst am Morgen. Wer sich nach dem Kirchenbesuch seelisch gestärkt fühlte, wer mit frischen Kräften in die neue Woche zu gehen glaubte, dem raubte ‚Christiansen‘ am Abend jegliche Illusionen: Auch in dieser Woche, so wußte er nach dem Phrasenaustausch der Politiker, Wirtschaftsbosse oder Gewerkschaftsvertreter, würde nichts, aber auch gar nichts besser werden.“

Zitiert wird in der „FAZ“ auch eine Kritik zu Christiansens allererster Sendung im Jahr 1998: „Statt spontan auf bestimmte Äußerungen ihrer Gesprächspartner einzugehen, hakte sie brav ihre Liste von Fragen ab, wobei jeder einmal drankam und über etwas anderes redete.“ In den folgenden Jahren sei es nicht wesentlich besser geworden.

Mit einem „Tschüss“ winkt Philipp Mattheis in der „Süddeutschen Zeitung“ der Moderatorin zum Farewell nach. Christiansen sei die „Domina in der Polit-Arena“ gewesen: „Die wildesten Raubtiere mussten irgendwann schweigen. Ein böser Blick über Deine Lesebrille, eine Handbewegung von Dir genügte und sie waren still. Jedenfalls manchmal [ …] Wir wussten schon vorher, dass Deine Gäste ihre längst zuvor geflochtenen Statement-Kränze vor Dir niederlegen würden. Zu groß die Angst vor dem Patzer, zu arg die Furcht vor der montäglichen Bildzeitung � bei Dir sagten sie nur, was sich längst als vertretbar erwiesen hatte. Uns war klar, dass auf Fragen von Dir nur Antworten kamen, die Antworten auf Fragen waren, die Du nicht gestellt hattest.�

Über eine „Christiansen-Flucht“ schreibt Werner A. Perger in der „Zeit“. Der Wechsel der ARD von Sabine Christiansen zu Günter Jauch sei zwar eine Sensation, aber für viele Insider keine allzu große Überraschung: „Dass Deutschlands prominenteste, lange Zeit auch erfolgreichste Talk-Meisterin keine große Lust mehr hatte, war ohnehin zu merken gewesen. Aus privaten Gründen zog es sie ins Ausland, der Berlintermin kollidierte mit persönlichen Prioritäten. Hinzu kam das Engagement bei der amerikanischen NBC-Tochter CNBC, die eine englischsprachige Talkshow (‚Global Player‘) ausstrahlt.“

Diese neue Aufgabe, so „Die Zeit“, gelte offiziell als wesentlicher Hauptgrund für Christiansens Wunsch, ihr ARD-Engagement zu beenden. Der Wunsch zum Wechsel sei vermutlich durch allmählich nachlassende Quoten der ARD-Talkshow bestärkt worden sein: „Mit dem Niedergang im Gefolge des Koalitionswechsels hat allerdings auch das Nachdenken bei jenen Quotenverantwortlichen begonnen.“ Und zwar auch für jene Verantwortlichen, „für die die offenkundigen Qualitätsmängel und Schwächen ihrer Starmoderatorin bis dahin kein Problem waren“.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am via tvforen.de

    Ich habe Christiansen schon seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen, Illner übrigens auch nicht. Ich hatte damals plötzlich die Nase voll von diesem sinn- und ergebnislosen Geschwafel. Dass immer nur geredet und geredet und nichts getan wurde, wusste ich schon immer. Aber bis vor einem halben Jahr hatte es mich nicht gestört. Doch dann war das plötzlich anders. Keine Ahnung warum.

    Wir leben in einer Inflation politischer Talkshows. Fast jeder Sender hat mittlerweile eine. Aber sie sind so nutzlos wie ein Kropf. Sie werden nur von den Politikern als Wahlkampf-Plattform missbraucht. Kein Politiker hat in irgendeiner Sendung schon mal etwas entscheidendes gesagt oder sich auf irgendwas festlegen lassen.

    Das ganze ist nichts als eine schein-demokratische Täuschungsveranstaltung. Die Bürger haben nur einmal in 4 Jahren die Chance, etwas zu beeinflussen. Abseits davon nicht mehr. Aber um das den Bürger nicht merken zu lassen, setzt man ihm diese Quassel-Treffs vor, damit er das Gefühl hat, bei der Entscheidungsfindung "dabei" zu sein. Tatsächlich vergesen aber alle Politiker oder Wirtschaftsleute nach so einer Sendung sofort alles, was sie dort gesagt haben und gehen zur Tagesordnung über, machen weiter wie bisher. Sinn also gleich Null.

    Ich bin dafür, alle Polit-Talkshows zu boykottieren. Dann wird das Fernsehen sie von selbst aus dem Programm nehmen.
    • am via tvforen.de

      Mir ist das schon zuviel Jauch ...
  • am via tvforen.de

    >>> Es wird geredet und geredet, aber es geschieht anscheinend nichts.

    Und bei welcher Polit-Talkshow ist das anders???

    Die soll er mir mal zeigen, der gute Herr Thormann.

    Der Lonewolf Pete
    • am via tvforen.de

      Pete Morgan schrieb:
      >
      > >>> Es wird geredet und geredet, aber es geschieht
      > anscheinend nichts.
      >
      > Und bei welcher Polit-Talkshow ist das anders???
      >
      > Die soll er mir mal zeigen, der gute Herr Thormann.
      >
      > Der Lonewolf Pete


      Ja, gut, aber es müssen ja nicht ständig die gleichen Themen durchgekaut werden,
      immer wieder Rente, Arbeit und Gesundheit, das sind zwar mit die wichtigsten Themen, aber irgendwann kannte man wirklich alle Phrasen auswendig.

      Warum nicht mal eine Sendung zum Thema
      - der deutsche Film
      - Bilanz nach 20 Jahren Privatfernsehen in Deutschland
      - Wieviel Werbung (v)erträgt der Bürger
      und ähnliches

      Es gibt doch soviele interessante Gesprächsthemen, es muß doch nicht immer nur
      um Arbeit und Soziales gehen. Die Politik beeinflußt so viele Dinge ...
  • am via tvforen.de

    Zwei Worte: gute Nachricht ! Aber Jauch ist ja nun leider auch mehr Unterhaltungsfuzzi als Journalist.

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