Serienpreview: „FlashForward“ – Review

Zeitsprünge, Zerstörung und ein Känguru

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 07.10.2009

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FlashForward American Broadcasting Companies, Inc.

Eines muss man „FlashForward“ lassen: Die Spezialeffekte, mit denen die Zerstörung in L.A. dargestellt wird sind erstklassig. Die rauchenden Wolkenkratzer und die Verwüstung auf den Freeways wirken glaubhaft. Wenn man nur von Regie, Schnitt und der schauspielerischen Leistung der Protagonisten das selbe behaupten könnte. Joseph Fiennes ist als Hauptdarsteller und FBI-Agent Mark Benford einfach nur unsagbar langweilig. Die Dramaturgie versucht für ihn in der Zukunft eine doppelte Bedrohung aufzubauen: Er wird von unbekannten Gangstern verfolgt und seine Ehe steht möglicherweise vor dem Ende. Das Problem bei letzterem Punkt ist schlicht und ergreifend, dass da nicht viel verloren wäre. Mark und Olivia leben in einem so oberflächlichen Pseudo-Idyll am Rand von L.A., wie es in zahlreichen anderen Dramen schon längst als extrem trügerisch enttarnt wurde. Warum sollten wir uns dann als Zuschauer wünschen, dass diese Ehe Bestand hat? Das wäre nur möglich, wenn Fiennes und die in anderen Rollen eigentlich stets beeindruckende Sonya Walger uns mit ihrer Chemie als Paar auf ihre Seite ziehen würden – doch Fehlanzeige. Die Beziehung bleibt so kühl wie die eisig blaue Jerry Bruckheimer-Stimmung, die sich nach der Katastrophe über die Stadt legt.

Vielleicht ist das auch eines der größten Probleme von „FlashForward“. Die Geschichte wird von einem sehr elitären Standpunkt aus erzählt: ein Luxus-Ehepaar, Ärzte, FBI-Agenten …. Doch wie geht es den Normalos? Den armen „Angelinos“ in den Vororten, den Straßenpolizisten, den Angehörigen von Piloten der abgestürzten Maschinen? Weltweite Unheilsszenarien à la „V“ oder „Independence Day“ funktionieren gerade weil die unterschiedlichsten Lebensbereiche in der Krisensituation zu einem einzigen Widerstand verschmelzen. Zu deutsch: Die Mischung macht’s! Davon ist hier (noch?) nichts zu spüren.

Zachary Knighton in „FlashForward“ American Broadcasting Companies, Inc.

Trotz allgemein schlechter Schauspielerführung gibt es dennoch ein paar einzelne Ensemble-Mitglieder, die angenehm herausragen. John Cho, zuletzt als Mr. Sulu im neuen „Star Trek“-Film zu sehen, spielt mit Freude und hat die Sympathien sofort auf seiner Seite. Zachary Knighton nutzt die wenigen Szenen, die er in diesem Piloten hat, eindrucksvoll und bleibt damit im Gedächtnis als eines der interessantesten neuen Gesichter des Fernseh-Herbstes. Schließlich ist da noch Courtney B. Vance, der als Assistant Director Wedeck alle anderen Kollegen komplett an die Wand spielt – was in diesem Fall leider nicht so schwer ist. Dafür hat Wedeck die vielleicht interessanteste Zukunftsvision, die er aber nicht mit seinen Kollegen teilt: Er sitzt am 30. April 2010 auf dem Klo und liest Zeitung.

Ja, dieser 30. April 2010. Das Datum wurde von den Produzenten kaum zufällig gewählt. An diesem Donnerstag werden im nächsten Jahr die letzten „Sweeps“ der Fernsehsaison beginnen, also die Zeit, in der den Einschaltquoten immer besondere Bedeutung zukommt. Sollte es „FlashForward“ also bis ans Ende der ersten Staffel schaffen, dürfen Zuschauer spätestens dann mit einigen Enthüllungen rechnen. Trotzdem erscheint es selbst im Medienzeitalter extrem unglaubwürdig, dass fast alle Figuren durch ihre Zukunftsvision auch gleich wissen, an welchem Datum sie sich wiederfinden. Viel zu plump erscheinen da Kalenderblätter und Zeitungsköpfe im Bild, viel zu schnell verschwinden auch diese unglücklichen Erklärungsversuche und man soll das Datum nur noch als Fakt hinnehmen.

Christine Woods und John Cho American Broadcasting Companies, Inc.

30. April 2010 – das einzige, was hier dem Zuschauer in ungeschickt platzierten Dialogfetzen noch öfter vorgesetzt wird als dieses Datum ist der Titel der Serie. Von einem Moment zum anderen sind sich scheinbar alle einig, dass dieses Phänomen nur noch als „FlashForward“ zu bezeichnen ist. Als hätten Goyer und Braga einen Schalter umgelegt! Anschließend geht es eine halbe Stunde lang hin und her: „My FlashForward, your FlashForward, his FlashForward ….“ Nachdem man diesen absurden Deklinations-Wahn überstanden hat, stellt man sich auch als Zuschauer die gleiche Frage wie die beim Sex in Ohnmacht gefallene Babysitterin: „Bestraft uns Gott?“ Das wohl nicht. Höchstens zwei Autoren, einer davon auch noch als Regisseur, ein vom Mystery-Erfolg verwöhntes Network und ein Cutter, der mich mit Zeitlupen vom zwischen den Verkehrstrümmern rennenden Hauptdarsteller zum Lachen gebracht hat.

Bevor ich’s vergesse: Ein Känguru gibt es auch noch! Warum weiß keiner. Es hüpft vergnüglich zwischen den Trümmern auf den Straßen von L.A. hin und her, bevor Joseph Fiennes ihm zu nahe kommt. Dann macht es sich schleunigst aus dem Staub. Kann man es ihm verdenken?

Meine Wertung: 2/​5

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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