Serienpreview: „The IT Crowd“ – Review

Britische Sitcom ab 20. September bei Comedy Central

Rezension von Michael Brandes – 15.09.2009

The IT Crowd Comedy Central

Die 34 Stockwerke der Londoner Firma Reynholm Industries entsprechen der klassischen Karriereleiter. Je höher die Etage, um so wichtiger der Job. Während der selbstverliebte Firmenboss Denholm Reynholm ganz oben seine Geschäfte tätigt, haust das zweiköpfige „Information Technology Team“ in einer Art fensterlosem Kellerloch. Hier sitzen Roy (Chris O’Dowd) und Moss (Richard Ayoade), zwei allen Klischees entsprechende Nerds, die sich in jeglicher Hinsicht von der übrigen Belegschaft unterscheiden und jenseits der Themengebiete Computer und Technik völlig weltfremd wirken. Ihr chaotisch eingerichtetes Reich erinnert an ein unaufgeräumtes Jungszimmer. Gearbeitet wird nur dann, wenn ein Mitarbeiter der oberen Etagen mal gelegentlich wegen eines PC-Problems die firmeninterne Telefonanlage bemüht. Diese Anrufe verlaufen meistens identisch und ausgesprochen kurz: „Hallo, IT. Haben Sie versucht, ihn aus- und wieder einzuschalten?“

Katherine Parkinson als Jen Barber Comedy Central

Beide geben sich dabei kaum Mühe, ihre Verachtung gegen die Techniklaien in den oberen Etagen zu unterdrücken. Umgekehrt werden Roy und Moss von den Kollegen so gut es geht ignoriert und allenfalls als kauzig oder lästig wahrgenommen. Tatsächlich wirken sie in dieser seltsamen Firma wie Fremdkörper. Vieles erfährt man nicht über Reynholm Industries, was allerdings ein beabsichtigter Running Gag ist. Das Unternehmen fungiert vor allem als luxuriöser Aufenthaltsort für schöne Menschen. Wohl auch deshalb wird die „IT Crowd“ im Keller versteckt. Laut der (fiktiven) Homepage von Reynholm Industries handelt es sich um ein „Business Empire“ mit einem jährlichen Profit von über 1,800,000,000,000,000,000,000 Pfund. Klarer definiert sind die beiden Bewerbungskriterien, die Jobsuchende erfüllen sollen: Sie müssen attraktiv und sexy sein. Angelockt werden Interessenten mit Hinweis auf Unisextoiletten und dem wunderbaren Ausblick aus den überdimensionierten Bürofenstern der lichtdurchfluteten Räume.

Firmenchef Denholm Reynholm nimmt attraktive Bewerberinnen persönlich unter die Lupe. Mit einem dieser Vorstellungsgespräche beginnt die Serie: Er findet Gefallen an Jen (Katherine Perkinson), die ihm Computerkenntnisse vorschwindelt. Weil gerade kein anderer Job verfügbar ist, wird sie von Denholm spontan zur neuen Abteilungsleiterin des „IT“-Teams erklärt. Kaum im Keller angekommen, wird Jen zunächst von Roy und Moss unbeholfen umschwärmt. Für sie ist es der ausgesprochen rare Kellerbesuch eines weiblichen Wesens. Die Freude weicht dem Entsetzen, als klar wird, dass Jen ihre neue Chefin ist, zumal bald offensichtlich ist, dass ihre PC-Kenntnisse gegen Null tendieren. Wie sich das Trio dennoch arrangiert und anfreundet, ist Thema der ersten Folge. Jen wird bald geduldet, aber gelegentlich auch auf den Arm genommen. So nimmt sie gutgläubig zur Kenntnis, dass sich das Internet von selbst zerstören würde, wenn man „Google“ bei Google eingibt. In den kommenden Episoden konzentriert sich „The IT Crowd“ dann thematisch vor allem auf die schwierige Kontaktaufnahme der beiden weltfremden Computernerds zur Außenwelt, sowie auf Jens regelmäßig spektakulär floppende Dates mit wechselndem männlichen Firmenpersonal.

Richard Ayoade als Maurice Moss Comedy Central

„The IT Crowd“ ist eine klassische Sitcom, die noch vor Publikum produziert wird. Drei Staffeln mit jeweils sechs Folgen sind bislang für den britischen Privatsender Channel 4 produziert worden – wie so oft setzen die Briten dabei auf Qualität statt Quantität. Die abgeschlossenen Episoden sind thematisch so klar strukturiert, dass jede Folge im Kopf bleibt und somit zum Klassiker reift. Bei Moss und Roy lassen sich Charakterzüge der jungen Physiker aus der US-Sitcom „The Big Bang Theory“ entdecken, aber man denkt zunächst vor allem an eine andere Büro-Satire, an Ricky Gervais’ „The Office“. Tatsächlich harmonieren beide Serien sehr gut miteinander. Wer „The Office“ liebt, wird sich über „The IT Crowd“ mindestens gut amüsieren. Während Gervais seine Figur mit großer Charakterschärfe und oft eher subtilem Witz über die Schmerzgrenze der Peinlichkeit führt, wirkt „IT Crowd“ vergleichsweise direkter und setzt noch deutlicher auf Situationskomik und wortspielreiche Dialoge. Die Brillanz von „The Office“ erreicht „The IT Crowd“ nicht ganz, punktet aber mit großer Eigenständigkeit und einem weiteren Qualitätsanstieg in der zweiten Staffel.

Zu den wiederkehrenden Elementen zählen die vielen konkreten popkulturellen Bezüge. In einer Episode wird Jen beispielsweise zum Telefonjoker beim britischen „Wer wird Millionär?“, eine spätere Folge („Moss and the German“) bezieht sich auf einen Besuch von Moss beim „Kannibalen von Rotenburg“, dessen Kleinanzeige Moss für eine Einladung zu einem Kochkurs hält. Die Stärken der nicht gerade fest in der Realität verankerten Serie liegen auch im liebenswerten Umgang mit den schrägen Nebenfiguren, die nach und nach eingeführt werden. Beispielsweise Richmond (Noel Fielding): In der vierten Folge öffnet Jen eine rote Tür im Keller. Roy und Moss baten sie zuvor eindringlich, diese Tür niemals zu öffnen, doch letztlich siegt die Neugier. Hinter der Tür findet Jen nicht nur eine große und vermutlich vollkommen sinnfreie Maschine mit vielen leuchtenden Knöpfen, sondern auch den hier weggesperrten Angestellten Richmond, der in der firmeninternen Hackordnung offenbar noch unter Ross und Moy steht. Richmond, gekleidet im düsterschwarzen Gothic-Look, erzählt ihr seine Geschichte: Einst war er in der Firma überaus beliebt, quasi der Ziehsohn von Firmenchef Denholm und heißer Anwärter auf dessen Nachfolge. Doch nachdem das Hören einer CD der Band „Cradle of Filth“ sein Leben verändert hat, stürzte er auf der Karriereleiter ins Bodenlose und landete schließlich hinter der roten Tür. Während sich Richmond den Absturz nicht erklären kann, sind die tatsächlichen Ereignisse in einer Rückblende zu sehen: Der einst yuppieesk gekleidete Firmenliebling hat nicht nur „Cradle of Filth“ gehört, sondern erschien tags darauf im Gruftie-Stil zur Arbeit, was im Rahmen der hedonistischen Firmenphilosophie natürlich keine Akzeptanz gefunden hat. Als nicht mehr vorzeigbar wurde Richmond aussortiert.

Die Crew Comedy Central

2010 wird die vierte Staffel von „IT Crowd“ auf Channel 4 ausgestrahlt, für Ende dieses Jahres ist außerdem ein Weihnachts-Special in Planung. Die bei den BAFTA und Internatioanal Emmy Awards ausgezeichnete Serie war unter anderem schon in Australien, Tschechien und Bulgarien zu sehen. Das US-Network NBC war an einer eigenen Version des Stoffes interessiert und ließ bereits im Februar 2007 vor Publikum einen Piloten produzieren, in dem als einziger Original-Schauspieler Richard Ayoade (Moss) mitgewirkt hat. Roy wurde von Joel McHale, Jen von Jessica St.Clair gespielt. Eine Serie wurde aber nie produziert, das Projekt 2008 endgültig gecancelt. Nach langem Warten startet „The IT Crowd“ nun in Deutschland am 20. September 2009 auf Comedy Central – allerdings in synchronisierter Fassung. Gehörige Zweifel an diesem Vorhaben sind angebracht, allein schon weil sich die vielen Wortspiele kaum ins Deutsche übertragen lassen. Sehr empfehlenswert sind aber die britischen Import-DVDs zu allen drei Staffeln. Sie bieten neben Audiokommentaren und den üblichen Specials auch einige liebenswerte Details, darunter das Menü im Design alter Adventuregames und die Episoden-Untertitelung in „L33tspeak“.

Seltsames ereignete sich um „The IT Crowd“ zuvor in den Gedankengängen der Programmverantwortlichen von Sat.1: Die Originalserie wollte man dem Publikum nicht zeigen, dafür produzierte der Sender lieber eine deutsche Kopie. Unter dem Titel „Das iTeam – Die Jungs an der Maus“ wurde die gesamte erste Staffel nachgespielt. Sky DuMont spielte Firmenboss Denholm, ansonsten wurde bei der Auswahl der Schauspieler primär nur darauf geachtet, dass sie den Originalen möglichst ähnlich sehen. Handlung und Ausstattung wurden so originalgetreu wie möglich übernommen, lediglich die Dialoge sollten auf deutsche Verhältnisse übertragen werden. Entstanden ist eine verblüffend unwitzige und auch sonst qualitativ unzureichende Zombieversion des Originals. Ein Retortenprodukt, das niemand sehen wollte und bereits nach zwei ausgestrahlten Episoden mangels Quote abgesetzt wurde. Alles in allem ein tiefer, gespenstischer Einblick in das Humorverständnis deutscher Fernsehmacher.

Meine Wertung: 4,5/​5

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