NYC 22 – Review

Tolles Ensemble, farbloser CBS-Krimi – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 03.05.2012, 17:27 Uhr

  • Seite

Das Ensemble

Selten wurde in einem neuen Format ein so vielversprechendes Aufgebot von Schauspielern derart verschwendet. Welcher Serienfan würde nicht gerne den liebenswert grimmigen Adam Goldberg („Der Soldat James Ryan“), die quirlige Leelee Sobieski („Good Wife“) oder den überaus charismatischen Stark Sands („Generation Kill“) wöchentlich auf seinen Bildschirm einladen? All diese Eigenschaften bleiben hier auf die Schauspieler selbst begrenzt, denn ihren Figuren kommt man trotz der vielfältigen Hintergrundgeschichten nicht im Geringsten näher. So stecken sie mit „NYC 22“ in einer Serie, die weder vollkommen realistisch sein will, noch auf klar gezeichnete Charaktere als Zugpferde setzt. Die optische Distanz wird auch ihnen zum Verhängnis, genau wie die klischeebeladene Ereignispalette, durch die Perry, McClaren und Co. im Piloten stolpern.

Buch und Regie

Für CBS war die Verpflichtung von James Mangold als Regisseur des Piloten sicher ein gewisser Coup. Schließlich sprechen wir von dem Mann, der hochkarätige Kinodramen wie „Copland“, „Durchgeknallt“ oder „Walk The Line“ inszenierte. Umso schockierender ist das nichtssagende Endresultat. Nach dem Ansehen des Piloten überrascht es kaum, dass CBS „NYC 22“ am Ende der aktuellen TV-Saison versendet, Potential zur Langlebigkeit lässt sich in dieser Form beim besten Willen nicht erkennen. Die Schuld hierfür muss allerdings auch bei Serienerfinder Richard Price liegen, dessen professioneller Werdegang ebenfalls mit Kinohits wie „Die Farbe des Geldes“ aufwarten kann und der zuvor immerhin zum Autorenteam von „The Wire“ gehörte. Von dem Moment an als der notorisch gutmütige Trainingsoffizier Yoda seinen neuen Schäfchen rät, sich bloß keinen Ärger einzuhandeln, ist praktisch klar, dass die Hölle selbst über sie hereinbrechen wird – und dies verbunden mit Klischees, die eigentlich bereits durch „T. J. Hooker“ in den 80ern abgefrühstückt wurden – vom wütenden, Gewehr schwingenden Ehemann, über den früheren Freund, der jetzt auf der anderen Seite steht, bis hin zum Straßenkid, das von der lokalen Gang verführt wird – es ist alles schon Gesehene vertreten.

Fazit

Insgesamt wirkt „NYC 22“ wie eine billige Kopie des kanadischen „Rookie Blue“, allerdings ohne dass dessen Charaktertiefe, Witz und Glaubwürdigkeit jemals erreicht werden. Sicher sind junge Polizisten auf Streife noch immer eine interessante Thematik, bei der es auch nicht immer so hart und schmutzig zugehen muss wie in „Southland“. Ebensowenig muss ein neues Cop-Format auf CBS immer gleich geglättet, koloriert und hochtechnisiert daherkommen wie die „C.S.I.“-Ware, deren große Trendzeit bereits vorbei ist. So setzt das Network schon auf die richtige Strategie, wenn es sich langsam aber sicher von diesem inzwischen sofort erkennbaren CBS-Crime-Look distanziert und Schritte in eine andere Richtung wagt. Doch ein Klischee gegen ein weiteres auszutauschen, wird da kaum genügen. Den Alltag von Polizei-Rookies realistisch darzustellen, verbunden mit Frust, Langeweile, der Reduzierung auf das Zeigen von Präsenz und mit schlechter Bezahlung – in einer Serie mit inhaltlichen Ambitionen und Charaktertiefe könnte dies auch 2012 hervorragend funktionieren. Doch „NYC 22“ ist eindeutig nicht diese Serie und dank eher magerer Quoten vermutlich auch nicht Teil des CBS-Sendeplans für die kommende Saison. Vermissen wird man sie kaum.

Meine Wertung: 1,5/​5
© Alle Bilder: CBS

zurück

Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

Kommentare zu dieser Newsmeldung

    weitere Meldungen