Off the Map – Review

von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Rezension von Ralf Döbele – 07.02.2011

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Zach Gilford als Tommy Fuller

Vielleicht ist der Schlüssel bei „Off the Map“ als Zuschauer auch über kaum ausreichende „Grey’s Anatomy“- und „Private Practice“-Kenntnisse zu verfügen. Hat man beide Formate bislang kaum verfolgt, bietet die neue Serie abwechslungsreiche, wenn auch nicht tiefgehende, Unterhaltung vor traumhafter Kulisse. Doch kennt man Shonda Rhimes’ dramaturgischen Stil bereits recht gut, hat man ein Problem. Dann beeindruckt das Wechselspiel zwischen extremen und äußerst blutigen medizinischen Notfällen (Stichworte: Bein-aufspießender Rochen, quetschende Anakonda, mit eigener Haut an Seilbahn festhängen) und übertrieben emotionalen Momenten von Ärzten und Patienten nicht mehr wirklich. Daran ändert auch die eigentlich gute Besetzung kaum etwas, man könnte gar von Talentverschwendung sprechen.

Vor allem „Friday Night Lights“-Veteran Zach Gilford vermag das fast Unmögliche und holt aus dem wahrhaft trottelig geschriebenen Tommy Fuller noch einiges heraus. Dessen unfreiwillige Freundschaft zum 13-jährigen Dorfjungen Charlie (Jonathan Castellanos), der ihn sicher durch den Dschungel zu seinen ersten Patienten führt, hat durchaus Potential. Mamie Gummer beeindruckt auch als frisch-gebackene Huhn-Besitzerin Mina, nachdem sie bereits durch nur zwei Gastauftritte als vermeintlich unterbelichtete Anwältin in „Good Wife“ einen starken Eindruck hinterließ.

Zee (Valerie Cruz) und der junge Fremdenführer Charlie (Jonathan Castellanos)

Doch vielleicht ist eines der größten Probleme von „Off the Map“ genau jenes Huhn. Eigentlich nur als Gag am Rande gedacht, steht es doch symptomatisch für die leicht ärgerliche Oberflächlichkeit, die sich wie ein roter Faden durch die Serie zieht. „Off the Map“ hätte eine Chance sein können dem internationalen Fernsehmarkt zu zeigen, dass auch eine US-Network-Serie noch dazu im Stande ist über den eigenen, amerikanischen Tellerrand hinauszusehen. Doch da „Off the Map“ in einer nicht genannten Region Südamerikas spielt, ist es auch praktisch unnötig die dort einheimische Kultur glaubhaft zu zeichnen oder vorzustellen. So bleiben die Patienten von Tommy und Co. oft auf altbekannte Klischees reduziert: die malariakranken, spanischsprechenden Einheimischen oder eben die alte Frau, die vor lauter Dankbarkeit Mina ein Huhn überlässt – was irgendwie instinktiv sofort Erinnerungen an diverse Sophia Petrillo-Witze aus „Golden Girls“ wachruft.

So geht es den jungen Ärzten zunächst vor allem um sich selbst, um ihre eigene Abenteuerlust und amourösen Anwandlungen. Das muss ja nicht unbedingt schlecht sein. Doch Lilys Sixpack-Verehrung für Dr. Keeton, nicht wirklich spektakulär besetzt mit Martin Henderson, dürfte bei praktisch jedem Serienfan sofort McDreamy-Flashbacks auslösen. Will sich Shonda Rhimes wirklich in diese Schublade drängen lassen? Früher oder später werden auch „Grey’s Anatomy“ und „Private Practice“ ihr Verfallsdatum überschritten haben. Anpassungsfähigkeit und Mut zum Neuen sind nicht erst dann von einer Produzentin und Chefautorin gefragt, sondern bereits jetzt, in fortgeschrittenem Serienalter. So wirft die mangelhafte, konzeptionelle Ausarbeitung von „Off the Map“ auch ein schlechtes Licht auf Rhimes selbst und ihre Fähigkeit mit dieser Aufgabe bei allen ihren Serien fertig zu werden. Stattdessen zeugt die neue Serie teils von erschreckender Gleichgültigkeit der Verantwortlichen.

ABC, inzwischen traurig erprobt als Spezialist für nichtssagende Midseason-Füllware, muss endlich einmal erkennen, dass sich ein angeschlagenes Serienaufgebot nur durch wirklich mutige Investitionen in neuartiges Erzählen sanieren lässt. Genau diese Art von Mut bescherte dem Sender im vergangenen Jahrzehnt mit „Grey’s Anatomy“ und „Desperate Housewives“ zwei seiner größten Hits. „Off the Map“ kann dagegen froh sein, wenn es nicht bereits nach den ersten 13 Episoden wieder von der Serien-Landkarte verschwindet.

Meine Wertung: 2,5/​5

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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