TV in the USA: Was Sie schon immer übers US-Fernsehen wissen wollten … (Teil 2)

Von der Serienidee zur Staffelbestellung – von Ralf Döbele

Ralf Döbele
Ralf Döbele – 05.09.2014, 10:30 Uhr

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Kamen dank größerer Freiräume bei den Kabelsendern auch ohne vorherigen Piloten ins HBO-Programm: „Die Sopranos“HBO


Serienentwicklung bei Kabelsendern So überrascht es nicht, dass viele Macher in Hollywood die Herangehensweise von Kabelsendern an neue Serien eher schätzen. Vor allem die Premium-Cable-Anbieter HBO und Showtime genießen den Ruf, ihren Machern ein extrem hohes Maß an Freiraum bei der Gestaltung ihrer Formate zu lassen. Außerdem können sich Pay-TV-Sender leisten, Serien alleine anhand von qualitativen Gesichtspunkten frühzeitig zu verlängern oder wieder einzustellen, da sie nicht so stark dem Druck der Einschaltquoten ausgesetzt sind wie die werbefinanzierten Sender, vor allem die großen Mainstream-Networks.

Durch den Erfolg der „Sopranos“ oder von „The Wire“ revolutionierte HBO Ende der 1990er Jahre praktisch über Nacht den Serienmarkt in den USA. Inzwischen hat fast jeder Kabelsender, der etwas auf sich hält, seine fiktionalen Eigenproduktionen im Programm. Sie erhöhen ihr eigenes Profil und ihre Einschaltquoten maßgeblich. Dabei versucht jeder Anbieter, seine eigene Nische zu festigen. Die Serien eines Kabelsenders sind oft durch einen sich ähnelnden Erzählton oder einen spezifischen Look stärker einander angeglichen. Zwei Beispiele: das USA Network steht inzwischen synonym für humorvolle Sommerdramen wie „Burn Notice“, „Royal Pains“ oder „Suits“, während AMC durch „Mad Men“, „Breaking Bad“ oder „Hell on Wheels“ als Zuhause inhaltlich anspruchsvoller und optisch hochwertiger Produktionen gilt.


Serienleben und Seriensterben Sollte eine Serie ihr großes oder kleineres Publikum gefunden haben, stehen die Chancen gut auf eine Verlängerung für eine weitere Staffel. Wird auf einem Network die magische Zahl von 100 Episoden erreicht, gilt die Serie als ideal für den Verkauf von Wiederholungen. Diese werden oft als Syndication-Programme an verschiedene Lokalsender der USA vertrieben oder auch direkt an einen bestimmten Kabelsender. In den vergangenen Jahren wurden solche Kabelsender auch immer öfter zum Retter für Serien, die bereits von den Networks aufgrund von Zuschauermangel eingestellt worden waren. So fand „Futurama“ auf Comedy Central ein neues Zuhause, wo man sich sowohl die Wiederholungsrechte von FOX als auch die Rechte für neue Folgen sicherte. Ähnlich wurde mit „Cougar Town“ auf TBS verfahren.

Im Grunde gibt es nur zwei Möglichkeiten, wie eine Serie schließlich enden kann: mit einer unfreiwilligen Absetzung durch den Sender oder dem freiwilligen Entschluss der Macher und Darsteller, das Format zu beenden. Bis in die 1980er Jahre hinein war es gang und gäbe, dass Serien ohne großes Finale zu Ende gingen. Oft wurde die Absetzung erst bekanntgegeben, nachdem die Produktion an der vorhergehenden Staffel längst abgeschlossen war. Selbst langjährige Kultserien wie „Der Denver-Clan“ oder „Mord ist ihr Hobby“ mussten so auf eine zufriedenstellende letzte Folge verzichten.

Noch immer kann es zu solchen offenen Enden kommen. Die Absetzung von „Heroes“ nach vier Jahren ist ein Beispiel hierfür. Oft bergen ein solches Ende und der folgende Fanprotest aber auch die Chance auf eine Fortsetzung in Form von Fernsehfilmen oder lösen ein Bemühen der Produzenten aus, für die Serie ein neues Zuhause auf einem Kabelsender zu finden. Dennoch, inzwischen gelingt es Networks durch frühzeitige Vertragsverlängerungen und den damit verbunden Gehaltserhöhungen für die Stars immer öfter, Erfolgsserien jahrelang auf Sendung zu halten.

Beispiel für ein frühzeitig geplantes (und höchst erfolgreiches) Serienfinale: „M*A*S*H“CBS



Ein frühzeitig geplantes Serienfinale kann entsprechend große Publicity für einen Sender bringen. Die zweistündige letzte Folge von „M*A*S*H“ sahen 1983 gar 100 Millionen Zuschauer. Auch bei Hits wie „Friends“, „Seinfeld“, „Die Sopranos“ oder jüngst „Breaking Bad“ konnten Macher und Darsteller in Zusammenarbeit mit dem Sender selbst den passenden Endpunkt finden. Im Fall von „Star Trek: The Next Generation“ umging Paramount Pictures 1993 weitere Gehaltserhöhungen mit den Darstellern und beförderte Captain Picard und seine Crew durch ein Ende nach sieben Staffeln auf die Kinoleinwand. Die Kosten für die Nachfolgeserie „Star Trek – Raumschiff Voyager“ waren durch die Besetzung neuer Darsteller entsprechend geringer. Im Fall von „The Closer“ wurde das Ende durch den Ausstieg von Hauptdarstellerin Kyra Sedgwick besiegelt. Doch fast die gesamte restliche Besetzung steht für die Fortsetzungsserie „Major Crimes“ weiter vor der Kamera.

Der Lebensweg einer Serie kann so unterschiedlich sein – und oft sind es gerade die Formate mit geringeren Einschaltquoten, die später als absolute Kulthits gelten. Ab einem gewissen Punkt erhalten sie durch ihr Publikum ein Eigenleben. Letztendlich sorgen Fans und geschicktes Marketing der Rechteinhaber dafür, dass sie auch Jahre oder Jahrzehnte nach dem eigentlichen Ende am Leben gehalten werden: durch Conventions, Fanclubs, Wiederholungen, DVD-Verkäufe, Merchandising, Fanfiction, Fanart und vieles mehr. Dank nie gekannter Möglichkeiten multimedialer Verbreitung sind die Möglichkeiten für dieses Leben nach dem Serientod inzwischen vielfältig und praktisch endlos.

Zusammenfassung: Die Hürden bis zur Realisierung einer Network-Serie Schritt 1: „Pitch“-Sessions – Serienautoren und Produzenten stellen bei den US-Sendern ihre Scripts und Ideen vor.

Schritt 2: Drehbuchbestellung – Ein interessierter Sender kauft ein Script oder Serienkonzept ein und gibt ein vollständiges Drehbuch für einen Pilotfilm in Auftrag.

Schritt 3: Pilotfilmbestellung – Der Sender entscheidet, welche der bestellten Drehbücher als Pilotfolge produziert werden. Für die Serienprojekte mit abgelehnten Drehbüchern ist der Weg hier meistens zu Ende – einige Projekte werden aber auch für das darauffolgende Jahr neu entwickelt, etwa indem ein neues (überarbeitetes) Drehbuch bestellt wird.

Schritt 4: Staffel-Bestellung – Der Sender sichtet alle in Auftrag gegebenen Pilotfilme und entscheidet, welche davon die Bestellung einer ersten Staffel erhalten. In der Regel beträgt das Erfolgsverhältnis hier 50:50. Die meisten abgelehnten Pilotfilme erblicken nie das Licht der Öffentlichkeit.


Im abschließenden dritten Teil unserer Artikelreihe werden wir uns einigen der wichtigsten Begriffe aus der Welt des US-Fernsehens widmen, von der put pilot commitment bis zum Showrunner.

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Über den Autor

Ralf Döbele ist Jahrgang 1981 und geriet schon in frühester Kindheit in den Bann von „Der Denver-Clan“, „Star Trek“ und „Aktenzeichen XY …ungelöst“. Davon hat er sich als klassisches Fernsehkind auch bis heute nicht wieder erholt. Vor allem US-Serien aus allen sieben Jahrzehnten TV-Geschichte haben es ihm angetan. Zu Ralfs Lieblingen gehören Dramaserien wie „Friday Night Lights“ oder „The West Wing“ genauso wie die Prime Time Soaps „Melrose Place“ und „Falcon Crest“, die Comedys „I Love Lucy“ und „M*A*S*H“ oder das „Law & Order“-Franchise. Aber auch deutsche Kultserien wie „Derrick“ oder „Bella Block“ finden sich in seinem DVD-Regal, das ständig aus allen Nähten platzt. Ralf ist als freier Redakteur für fernsehserien.de tätig und kümmert sich dabei hauptsächlich um tagesaktuelle News und um Specials über die Geschichte von deutschen und amerikanischen Kultformaten.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Star Trek – Enterprise, Aktenzeichen XY … Ungelöst

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