„The Affair“: Hintergründe für Ruth Wilsons Ausstieg bekannt?

Bericht über Auseinandersetzung wegen „unnötiger Nacktszenen“

Bernd Krannich
Bernd Krannich – 19.12.2019, 15:21 Uhr

Ruth Wilson in „The Affair“ – Bild: Showtime
Ruth Wilson in „The Affair“

Als Darstellerin Ruth Wilson im Umfeld der vierten Staffel ihren Ausstieg aus der Showtime-Serie „The Affair“ (hierzulande bei Prime Video) mitteilte, blieb sie die Hintergründe schuldig, machte aber ominöse Andeutungen – dass sie nicht die Freiheit habe, darüber zu sprechen (fernsehserien.de berichtete). Das Branchenblatt The Hollywood Reporter hat nun ein Exposé zusammengestellt, das im Wesentlichen ein feindseeliges Arbeitsklima und insbesondere massive Meinungsverschiedenheiten über Nackt- und Sexszenen als Ursache summiert.

Der Themenkomplex ist bei weitem nicht neu. Jüngst kam „Game of Thrones“-Darstellerin Emilia Clarke in die Schlagzeilen, die von ihren Erfahrungen beim Fantasy-Epos sprach – etwa davon, dass wegen ihrer relativen Unerfahrenheit im Filmgeschäft und mit Nacktszenen in der ersten Staffel häufiger ihr Spielpartner Jason Momoa für sie Partei ergriff (weil sie selbst nicht auf die Idee kam, dass sie ihre eigene Meinung vertreten könnte oder Dinge – wie eine banale Decke in kurzen Drehpausen – einfordern oder einfach erbeten könnte), aber eben auch, dass sie später Wortgefechte mit Regisseuren hatte (wobei sie das fadenscheinige Argument für weitere Szenen in Form von „Du willst doch deine ‚Game of Thrones‘-Fans nicht enttäuschen“ zu hören bekam).

Und Showtime selbst hatte schon das Problem, dass die Schöpferin und Showrunnerin seiner Comedy „SMILF“ (Frankie Shaw) nach Ansicht einiger Beteiligter bei der Produktion Grenzen in Sachen der Dreharbeiten von Nacktszenen überschritten hatte – die Serie kam daraufhin zum Ende, auch wenn es wohl keine offiziellen Sanktionen gab.

Auch im Fall von „The Affair“ gibt es keinen offiziellen Untersuchungsbericht, so dass THR sich nur auf Aussagen von Beteiligten verlassen kann – die unterschiedliche Ansichten und Schwerpunkte über Geschehnisse, Interpretation und Abläufe haben.

Schon Clarke hatte erwähnt, dass sich das Klima in Sachen Sexszenen in der sogenannten #MeToo-Ära (ab Ende 2017) geändert hat – mittlerweile gibt es bei vielen Produktionen einen sogenannten intimacy coordinator – jemand, der darauf achtet, dass Szenen mit Nacktheit eben mit möglichst wenigen Crew-Mitgliedern aufgenommen werden (sogenanntes „Closed Set“, wozu auch gehört, ansonsten live übertragende Monitore in andere Bereiche des Sets abzuschalten) und auch sonstige (zwischen tarifvertraglich vorgesehene) Besonderheiten beachtet werden. Laut Tarifvertrag haben Schauspieler – auch nach vorheriger, vertraglicher Zusage zu Nacktszenen – das Recht, diese abzulehnen, wenn man deren Sinn nicht einsieht.

Deutlich geworden ist den THR-Reportern, dass Wilson mit der Art und Häufigkeit der Nacktszenen unzufrieden war und viele davon als für die Erzählung unnötig ansah – einfach „Nacktheit um der Nacktheit“ willen. Dazu kommt, dass sie ansprach, dass männliche Spielpartner gleichzeitig weniger Haut zeigen sollten, als sie. Eine ihrer Szenen lehnte Wilson ab, weil sie in ihren Augen eher nach einer Vergewaltigung denn nach einvernehmlichem Sex aussehen würde – ein Body-Double musste einspringen. Serienschöpferin Sarah Treem blieb allerdings bei ihrer Linie und ihrem Verständnis über die Angemessenheit von Nacktszenen: Die Schauspielerin und die Showrunnerin kamen auf keinen grünen Zweig. Wilson galt wohl bei den Produzenten als „schwierig“, die Schauspielerin beschwerte sich über eine „feindseelige Arbeitsumgebung“.

Die Situation intensivierte sich, nachdem „The Affair“-Produzent und -Regisseur Jeffrey Reiner und weitere Crewmitglieder im September 2016 abseits der Dreharbeiten auf Lena Dunham und Jennifer Konner mit „Girls“-Castmitgliedern trafen. Die dabei entstandene Unterhaltung drehte sich zweifellos auch über Sex- und Nacktszenen – unterschiedlich sind die Angaben von Anwesenden darüber, ob es ein „freizügiges, berufliches“ Gespräch war, oder eben weit abseits des guten Geschmacks mit dem Gedankenspiel von Reiner, die in „Girls“ freizügige Dunham solle Wilson vielleicht mal auf die Sprünge helfen, vor der Kamera mehr zu zeigen. Durch ein Blind Item – einen Artikel ohne Namensnennung – machte Konner die Begegnung demnach in ihrem feministischen Blog Lenny Letter publik (der Artikel wurde zwischenzeitlich wieder gelöscht, das Blog wird aktuell nicht fortgeführt).

Am „The Affair“-Set wurde der Zusammenhang zwischen Reiner und dem Blog-Artikel publik, wodurch mehrere Darsteller das Vertrauen für eine weitere Zusammenarbeit verloren haben sollen. Eine interne Untersuchung von Sender Showtime führte dazu, dass Reiner online ein Sensibilisierungs-Training absolvieren musste, aber zunächst weiter für Showtime arbeitete. Er sollte bei „The Affair“ allerdings nicht mehr in Episoden mit Wilson drehen dürfen, was noch vor der Weiterführung der Dreharbeiten zu seinem Abschied führte.

Wilson kam nach diesen Vorgängen wohl mit Showtime überein, einerseits die Handlung ihrer Figur für Staffel vier zu drehen – wenn auch vor allen anderen Dreharbeiten für die Staffel -, einen Geheimhaltugsvertrag (Non-Disclosure Agreement, NDA) zu unterzeichnen und dann aus ihrem Vorvertrag entlassen zu werden.

Im Raum stehen noch Ansichten, dass Wilson die Serie ohnehin schon wegen der von ihr nicht geschätzten Entwicklung ihrer Figur und des zunehmenden Ärgers über die Nacktszenen verlassen wollte und durch den Vorfall „endlich“ aus ihrem Vertrag kommen konnte. Auf der anderen Seite stehen noch Behauptungen im Raum, Showrunnerin Tremm habe verschiedentlich Darsteller manipuliert, um sie dazu zu bringen, trotz Widerwillen Sexszenen zu drehen. Auch die Rolle von Showtime ist unklar: Hätte man gegenüber Jeffrey Reiner schärfere Konsequenzen ziehen müssen? Wie war eine Reaktion auf den Blog-Artikel von Konner: Hatte man bei einer indirekten Kontaktaufnahme einen Vermittlungsversuch starten wollen, oder wollte man Druck ausüben?

Klar ist, dass ab der fünften Staffel auch bei „The Affair“ erstmalig ein intimacy coordinator bezahlt wurde.

Kommentare zu dieser Newsmeldung

    weitere Meldungen