„Gaslit“: Julia Roberts überzeugt in satirisch gefärbter Miniserie über Watergate-Affäre – Review

Martha Mitchell, Ehefrau eines engen Nixon-Vertrauten, spielt wichtige Rolle in Aufklärung des Politskandals

Rezension von Christopher Diekhaus – 24.04.2022, 13:54 Uhr

Martha Mitchell (Julia Roberts) an der Seite ihres Gatten John (Sean Penn) – Bild: Starzplay
Martha Mitchell (Julia Roberts) an der Seite ihres Gatten John (Sean Penn)

Filmisch aufgearbeitet wurde die sogenannte Watergate-Affäre, die 1974 zum ersten und bislang einzigen Rücktritt eines US-amerikanischen Präsidenten führte, schon diverse Male. Berühmt und unerreicht ist sicherlich Alan J. Pakulas Klassiker „Die Unbestechlichen“ aus dem Jahr 1976, in dem Dustin Hoffman und Robert Redford als Enthüllungsjournalisten Carl Bernstein und Bob Woodward den massiven Amtsmissbrauch während der Regierungszeit Richard Nixons aufdecken. Ausgangspunkt ihrer Recherchen ist der aufgeflogene Einbruch in das Hauptquartier der Demokraten in der Nacht zum 17. Juni 1972. Ihrer wohl bedeutendsten Quelle, die lange nur unter dem Decknamen „Deep Throat“ bekannt war, 2005 jedoch als früherer FBI-Vizedirektor Mark Felt identifiziert wurde, widmet sich das 2017 veröffentlichte biografische Drama „The Secret Man“, das Liam Neeson in der Rolle des Whistleblowers zeigt. Eine andere Perspektive auf den eine Verfassungs- und Vertrauenskrise nach sich ziehenden Watergate-Skandal bietet nun die auf der ersten Staffel des Podcasts „Slow Burn“ basierende Miniserie „Gaslit“, die vor allem die Rolle der schillernden Politikergattin Martha Mitchell in den Fokus rückt.

Anfang der 1970er Jahre ist Martha Mitchell, von Julia Roberts charismatisch und in der englischen Originalfassung mit breitem Südstaatenakzent gespielt, eine echte Erscheinung. Bestens frisiert und schick gekleidet gibt die mit der Presse gut vernetzte, in Fernsehshows gerne gesehene Ehefrau von Richard Nixons Wahlkampfmanager und US-Justizminister John Mitchell (unter einer dicken Maske fast nicht zu erkennen: Sean Penn) Interviews und lässt sich dabei nicht den Mund verbieten. Wenn es die persönliche Situation betrifft, äußert sie sogar Kritik an der Regierung. Wie im Falle des Vietnamkrieges, den sie schon deshalb ablehnt, weil ihr eigener Sohn in Fernost ums Überleben kämpft.

Von nicht wenigen, gerade Frauen, wird sie für ihre offene, ehrliche Art bewundert. Ihr Verhalten sorgt allerdings längst nicht überall für Begeisterung. Obwohl ihr Gatte zu den engsten Vertrauten des amtierenden US-Präsidenten zählt, dürfen die Mitchells, so erfahren wir in der Auftaktfolge, wegen Martha nicht in der Air Force One mitfliegen. Im Jahr 1972 sind ihre Auftritte John zunehmend ein Dorn im Auge, da langsam, aber sicher die heiße Phase für die Wahlen im November beginnt. Nixon soll unbedingt gewinnen. Und dafür gibt es von oberster Stelle Anweisungen, dem politischen Gegner gezielt zu schaden.

Rechtsberater John Dean (Dan Stevens) will hoch hinaus. Starzplay

John Dean (Dan Stevens), Rechtsberater im Weißen Haus und handfester Ehrgeizling mit dem Wunsch, unbedingt in den Kreis der Nixon-Spezis vorzudringen, bekommt von Justizminister Mitchell den Auftrag, Operationen gegen die Demokraten auf den Weg zu bringen. Als Mastermind der Mission schlägt er den früheren FBI-Beamten G. Gordon Liddy (Shea Whigham) vor, der sich jedoch als größenwahnsinniger Psycho entpuppt. Seine erste Präsentation ruft Verwunderung und Belustigung hervor. Nach einigen Anpassungen darf er dann allerdings die geheimen Aktionen koordinieren. Als fünf Männer der von ihm geleiteten Verschwörertruppe in der Nacht des 17. Juni in das im Watergate-Komplex gelegene Hauptquartier der Demokraten eindringen, um die Räumlichkeiten zu verwanzen und kompromittierende Informationen zu sammeln, kommt es aber zum Super-GAU. Die Einbrecher werden erwischt. Und plötzlich hat die Nixon-Seite alle Hände voll damit zu tun, die Verbindungen zum Präsidenten zu verwischen, der in „Gaslit“ übrigens nicht mehr als ein Schattenmann zu sein scheint. Martha, die zur selben Zeit in Kalifornien weilt und mitbekommt, dass etwas faul ist, findet sich unversehens in einer beunruhigenden Lage wieder.

Adam McKay trifft Quentin Tarantino – diesen Eindruck wecken die ersten drei für diese Kritik gesichteten Episoden der insgesamt acht Folgen umfassenden Miniserie. Showrunner Robbie Pickering („Mr. Robot“) und Regisseur Matt Ross („Silicon Valley“) schlagen, ähnlich wie McKay in seinem Dick-Cheney-Biopic „Vice – Der zweite Mann“, ständig satirische Töne an und geben ihren Figuren Gelegenheit, das erinnert an Tarantino, in denkbar unpassenden Momenten absurde Diskussionen zu führen. Während der Einbruchsoperation kommt etwa plötzlich die Frage auf, wo der Unterschied zwischen einem Parker und einem Windbreaker liegt. Situationskomik dominiert auch eine Szene, in der Dean und Liddy nach dem Fiasko in einem Abstellraum vertrauliche Dinge besprechen, dabei jedoch permanent ihre Position wechseln müssen, weil sich eine Putzfrau mit Nachschubmaterialien versorgt.

Nicht nur in der Inszenierung und auf der Dialogebene macht sich Sarkasmus breit. Auch viele Darsteller versehen ihre Performances mit einer ironischen Note. Und ein ums andere Mal ist die Musikuntermalung betont verspielt. Die Macher begegnen der unglaublichen Skrupellosigkeit, der Aufgeblasenheit und der Machtgier der Nixon-Mannschaft mit Spott und ziehen die erstaunlich vielen dilettantischen Fehler der Verschwörer mit großer Lust durch den Kakao. Überzeichnung kann ein wirkungsvolles Stilmittel sein. Stellenweise übertreibt es „Gaslit“ damit allerdings. Gordon Liddy, der auch im wahren Leben ein höchst exzentrischer war, mutiert hier zu einem cartoonhaften Freak, dessen Besessenheit und Wahnsinn gleich in den ersten Minuten der Miniserie hervorbrechen. Dann nämlich, wenn er sich in einem pathetischen Monolog über echte Soldaten, die Geschichte schreiben, verliert.

G. Gordon Liddy (Shea Whigham) gibt als Drahtzieher des Einbruchs alles. Starzplay

Der Spagat zwischen Satire, Tragik und Dramatik will den kreativen Köpfen hinter der neuen Watergate-Produktion nicht überall gelingen. Spannung garantiert aber der Blick auf Martha, ihre bereits angeschlagene Ehe und die Art und Weise, wie sie in die Staatsaffäre verwickelt wird. Am Ende der zweiten Folge erhält „Gaslit“ einen Dreh ins Abgründige und lässt erahnen, warum sich der Titel auf das Phänomen des Gaslighting bezieht. Gemeint ist damit die psychische Manipulation eines Menschen mit dem Ziel, seinen Realitätsbezug und seine Selbstwahrnehmung massiv zu erschüttern. Am konkreten Beispiel der Watergate-Geschichte erzählt Serienschöpfer Pickering auch allgemein etwas über männliche Machtspiele. Alphatiere, die an den Strippen ziehen wollen und Frauen bewusst kleinhalten oder aber ohne Rücksicht auf Verluste diskreditieren, wenn sie gefährlich zu werden drohen. Eine Thematik, die wir heute, 50 Jahre später, noch längst nicht überwunden haben. Relevanz besitzt „Gaslit“ außerdem, wenn man bedenkt, dass Donald Trump, ein schamloser Lügner und Manipulator, von 2017 bis 2021 im Weißen Haus das Sagen hatte. Nixons dirty tricks sind leider keineswegs Schnee von gestern.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der ersten drei von insgesamt acht Folgen der Miniserie „Gaslit“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Die erste Folge der Miniserie „Gaslit“ ist ab dem 24. April 2022 beim Streaminganbieter Starzplay in Deutschland zu sehen. Die Veröffentlichung der restlichen Episoden erfolgt im wöchentlichen Rhythmus.

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