Staffel 2, Folge 1–4

Staffel 2 von „Die Schweizer Alpen – Bräuche, Käuze, Aberglaube“ startete am 08.02.2023 auf 3sat.
  • Staffel 2, Folge 1
    „Carnaval“, „Chalandamarz“, „Woldmanndli“, „Silvesterchlausen“: die Bräuche im Alpenbogen sind sagenumwoben. Das Leben dort ist geprägt von Mythen und teils seltsamen Bräuchen. Die vierteilige Doku-Reihe „Die Schweizer Alpen – Bräuche, Käuze, Aberglaube“ geht diesen eigentümlichen Riten in traumhafter Kulisse nach. Es ist ein Karneval der anderen Art, der „Carnaval d’Evolène“ im französischsprachigen Teil des Kanton Wallis. Seit Urzeiten vibriert die Region um Evolène jedes Jahr im Rhythmus von seltsamen Gestalten wie den „Plüschtieren“ oder den „Ausgestopften“.
    Sie ziehen gemeinsam um die Häuser und verscheuchen die bösen Geister des Winters. Der Grund: Das Leben in diesem Walliser Bergtal ist hart und unbarmherzig. Das Klima ist rau und kalt, die Böden wenig fruchtbar, und die Bergwelt birgt viele Gefahren. Am frühen Morgen des Karnevalssonntags trifft sich eine Gruppe junger Männer, um die „Ausgestopften“ zum Leben zu erwecken. Diese Monster sind in Jutesäcke gekleidet, die mit mehr als 30 Kilogramm Stroh gefüllt sind. Sie kommen nur an diesem Tag heraus. Sie repräsentieren den Geist der Vorfahren, der Toten, die seit jeher in der Region spuken.
    Seit 31 Jahren ist Frédéric Fauchère, 52, einer dieser „Ausgestopften“. Er hat von seinem Vater gelernt, Larven zu schnitzen, und gibt das Handwerk heute an seine Söhne weiter. Die letzten beiden Karnevalstage werden schließlich zu einem inszenierten Spektakel, das es so nur in Evolène gibt. Ein Schauspiel mit pensionierten Soldaten, einem Scheiterhaufen und dem ganzen Dorf, welche die „Poutratze“ jagen und einfangen. Sie verkörpert das Wintermännchen, das alle Ängste, Gefahren, Exzesse und bösen Gedanken in sich vereint.
    Bergführer Antoine Brenzikofer, 48, hat als Protestant wenig am Hut mit dem Karneval. Statt die bösen Geister und Gefahren zu vertreiben, verbündet er sich lieber mit ihnen. Er kennt die Bergwelt wie seine Hosentasche und zeigt auf, von wem die Gefahren wirklich ausgehen. Mit Aberglaube hat das in seinen Augen wenig zu tun – vielmehr mit der Ausbeutung der Natur durch den Menschen. Gisèle Pannatier, 59, ordnet das Geschehen als Brauchtumsexpertin ein. Sie kennt die Hintergründe des Brauchs und leitet die Ursprünge der Ängste und Sorgen der Bewohnerinnen und Bewohner des Val d’Herèns zeitgeschichtlich her. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereMi 08.02.20233sat
  • Staffel 2, Folge 2
    Es ist minus 14 Grad, der Atem dampft, und die Glocken erklingen durch das 200-Seelendorf Guarda hoch oben in den Bergen des Unterengadins. Das ganze Dorf feiert den „Chalandamarz“. Die Kinder ziehen mit großen und kleinen Schellen durch die Gassen. Sie wecken auf diese Art den Frühling. Der Chalandamarz ist jener Brauch, der im „Schellenursli“ vorkommt – dem berühmtesten Schweizer Kinderbuch nach Johanna Spyris „Heidi“. Der Chalandamarz wird als Frühlingsbrauch in den romanisch- und italienischsprachigen Teilen der Schweiz begangen.
    Gefeiert wird er jeweils am 1. März, dem römischen Jahresanfang. Früher wurden an diesem Tag auch politische Ämter gewählt. Heute ist dies nur noch in einem Dorf der Fall. Ansonsten ist es ein Fest, dass den Kindern vorbehalten ist, mit dem Höhepunkt eines kleinen Balls am Abend. Simon Könz, 43, und Mona Ledergerber, 42, feiern dieses Jahr zum ersten Mal den Chalandamarz als Familie. Vor drei Jahren sind sie mit ihren Kindern Giosch, fünf, Marietta, neun, und Lorin, zwölf Jahre alt, aus der Stadt Zürich nach Guarda gezogen. Für Vater Simon war es eine Heimkehr: Seine Familie kommt ursprünglich aus Guarda.
    Zudem ist seine Großmutter die „Schellenursli“-Autorin Selina Chönz, die mit ihrem Werk und ihrer Art die Familie vor viele Herausforderungen gestellt hat. Simon Könz erinnert sich. Chasper Pult, 73, ist Romanist und Kulturvermittler. Als einer der wenigen Schweizer spricht er alle vier Landessprachen. Für ihn sind Bräuche der Kitt einer Gesellschaft und ein sinnstiftendes Element in einer Gemeinschaft. Sein Vater schrieb einst das Vorwort für den „Schellenursli“.
    Für Pult ist das berühmte Kinderbuch gute romanische Literatur und zugleich ein Glücksfall für die Kinder auf der ganzen Welt, aber besonders für die kleinen Rätoromaninnen und Rätoromanen. Die Keramikmalerin Nathalie Schnetzler, 36, stellt im Keramikatelier der Firma Kuhn Rikon „Schellenursli“-Geschirr her. In sorgfältigster Handarbeit trägt sie die Motive von Alois Carigiet auf Fonduepfannen, Tassen und Teller auf und brennt die Keramik in mehreren Schritten, bevor der „Schellenursli“ in die ganze Welt verschickt wird. Ein waschechter Bergbub als Schweizer Exportschlager. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereMi 08.02.20233sat
  • Staffel 2, Folge 3
    Der Gurschenwald oberhalb von Andermatt färbt sich herbstlich, Bauern und Vieh sind längst von den Alpen zurück ins Dorf gekehrt, bald beginnt der Winter. Alljährlich versammeln sich Ende Oktober am Chilbi-Samstag in Jutesäcken gekleidete Gestalten am Waldrand und warten auf den Glockenschlag der Kirchenuhr. Punkt ein Uhr ist es so weit, und die „Woldmanndli“ – wie die Einheimischen sagen – starten ihren Umzug. Von dröhnend-lauten Schellen und dem Tuten des Bockhorns begleitet ziehen die Waldmänner nach Andermatt hinunter.
    Ursprung und Sinn dieses Brauchs gründen auf mündlicher Überlieferung und gehen zurück auf die Waldarbeiter, die einst den Gurschenwald pflegten. Früh wurde erkannt, dass die Bäume einen natürlichen Schutz vor Lawinen darstellen. Weil aber der Wald zur Gewinnung von Weideland und zur Holznutzung immer mehr gerodet und damit sein natürliches Gleichgewicht gestört wurde, verschwand ein Großteil des Walds oberhalb von Andermatt – bis auf den heutigen Gurschenwald.
    Bereits 1397 wurde dieser Wald deshalb gebannt und unter strenge Schutzbestimmungen gestellt. Jacqueline und Ricardo Russi, 33, nehmen dieses Jahr zum ersten Mal mit ihren Kindern am Umzug teil. Jacqueline, 38, ist in Andermatt aufgewachsen und bereits als Mädchen als „Woldmanndli“ verkleidet durch Andermatt gelaufen. Sie findet es wichtig, dass man die alten Traditionen den Kindern weitergibt. „So stärkt man die Beziehung zueinander im Dorf. Man muss immer zusammenarbeiten, allein schon wegen der Naturgefahren, nur gemeinsam kommen wir weiter“, ist die junge Andermatterin überzeugt.
    Stolz sieht Erwin Russi, 62, seinem Sohn und seinen Enkelkindern beim Umzug zu. Er arbeitet seit 44 Jahren als Forstwart und ist somit ein modernes „Woldmanndli“, das heute im steilen Gelände für die Pflege des Gurschenwalds sorgt. Berty Meyer, 86, steht ebenfalls am Straßenrand und freut sich über das Spektakel. Als Mädchen durfte sie noch nicht am „Woldmanndli“-Umzug teilnehmen, damals war dies nur Knaben gestattet.
    Trotzdem war es für sie früher ein Freudentag: Die „Überlitzli“, ein lokales Gebäck aus Blätterteig, gab es jeweils nur an diesem Chilbi-Samstag. Inzwischen backt sie „Überlitzli“ für ihre 19 Urenkelkinder, von denen viele am Umzug teilnehmen. Nach einer Runde durchs Dorf, auf welcher die in Jutesäcke gepackten „Woldmanndli“ von Einheimischen und Touristen empfangen werden, endet der Umzug. Das gemeinsame Essen einer Suppe, die in einem Kessel über offenem Feuer gekocht wird, beendet den Brauch. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereMi 15.02.20233sat
  • Staffel 2, Folge 4
    Wie jedes Jahr am 13. Januar findet in Urnäsch im Kanton Appenzell Ausserrhoden einer der wohl schönsten Bräuche der Schweiz statt: das „Silvesterchlausen“. Frühmorgens, wenn die klirrende Kälte den Atem stocken lässt und nur der Schnee sein sanftes Licht übers Land legt, machen sich die Männer bereit für einen Tag voller Sang und Klang. An diesem wird mit dem „Silvesterchlausen“ der „Alte Silvester“ gefeiert. Damit wird dem Winter endgültig der Garaus gemacht. Rund 30 Schuppel – kleinere Gruppen Männer – ziehen im Dorf von Hof zu Hof und vertreiben dort mit lautem Glockengeschell die bösen Geister und locken mit melodiösem Gesang die guten an.
    Mit diesem Ritual soll sich ein Segen über die Bewohnerinnen und Bewohner legen. Unterschieden werden drei Arten von „Silvesterchläusen“: die schönen, die wüsten und die schön-wüsten. Was sie unterscheidet, sind ihr Aussehen und ihre Aufgaben, was sie verbindet, ist Hingabe und Leidenschaft. Bruno Diem, 53, ist seit 45 Jahren mit Leib und Seele „Silvesterchlaus“.
    Sein Körper macht die Strapazen jedoch nicht mehr viel länger mit, und so wird es wohl das letzte „Silvesterchlausen“ sein, das er selbst bestreiten wird. Umso emotionaler muten die frühmorgendlichen Zäuerlein – mehrstimmige Jodellieder – an, begleitet von der atemberaubenden Schönheit der Kostüme und Hüte. Brunos Neffe, Andrin Poltera, 23, ist einer der jungen Urnäscher, die diesen Brauch weiterleben lassen. Andrin ist ein schön-wüster „Silvesterchlaus“ und zieht mit seinem Schuppel ebenfalls durch das Dorf.
    Diesem Schuppel darf auch über die Schultern geschaut werden, wenn im Herbst die filigranen Hüte zu neuem Leben erweckt werden. Christian Alder, 42, ist Teil des größten Schuppels von Urnäsch, dem Dorfschuppel. Die 13 Männer zwischen 23 und 62 Jahren verkleiden sich als „wüste Chläuse“ und jagen mit ihren dämonischen Larven dem einen oder anderen Betrachtenden, aber vor allem den bösen Geistern eine Heidenangst ein. Christian und seine „Chlausenfreunde“ zeigen, wie die Larven gemacht werden.
    Jemand, der sich ganz und gar in den Dienst des Brauchtums stellt, ist Niklaus Frehner, 39. Der autodidaktische Sennensattler produziert in seiner Werkstatt alle nötigen Utensilien für das „Silvesterchlausen“ und für die Landwirtschaft. Dazu gehören Lederriemen für die Schellen und Rollen, Verzierungen und Larven. Niklaus gewährt Einblicke in ein altes und ehrenwertes Handwerk. Walter Frick, 57, ist Kurator im Brauchtumsmuseum in Urnäsch und selbst begnadeter „Silvesterchlaus“. Er ordnet den Brauch und seine Entwicklung ein und versucht, einige Einzelheiten zu erklären. (Text: 3sat)
    Deutsche TV-PremiereMi 15.02.20233sat

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