bisher 3 Folgen, Folge 1–3

  • Folge 1
    Vertrocknete Deiche, rissige Böden wie nach einer Dürre, schwere Sturmfluten, Starkregen und überschwemmtes Marschland: „Wetter extrem“ in Norddeutschland. Es ist nicht mehr zu übersehen: Mit dem Klima verändert sich der Norden. Was bedeutet das für die Bewohnerinnen und Bewohner an der Nordseeküste und im Hinterland? Philipp Abresch, langjähriger Asienkorrespondent der ARD, geht dieser Frage in der ersten Folge der NDR Reportagereihe zur Klimakrise nach. Seine Reise führt von den Nordfriesischen Inseln über Cuxhaven bis zu den Obstplantagen in der Haseldorfer Marsch.
    Er trifft dort Landwirte, Geschäftsleute, Lokalpolitiker und den Klimaforscher Prof. Mojib Latif. Alle treibt dieselbe Sorge um: Wie schützen wir uns vor Extremwetterereignissen und wie verhindern wir, dass alles noch viel schlimmer kommt? Silke und Jörg Backsen, Biobauern auf Pellworm, klagen deshalb gegen die Bundesregierung. Zusammen mit anderen Biobauern und der Umweltschutzorganisation Greenpeace wollen sie erreichen, dass die Regierung ihre Klimaziele umsetzt. Die Familie Backsen mit ihren vier Kindern lebt vom Getreideanbau und von der Viehzucht.
    Die Dürreperiode 2018 ließ die Felder vertrocknen. Der Anstieg des Meeresspiegels bedroht ihren Hof. Ob ihre Kinder auf Pellworm noch eine Zukunft haben, ist fraglich. Doch die Bundesregierung verschleppt den Klimaschutz, statt ihn aktiv anzugehen. „40 Prozent CO2 sollten eingespart werden von 1990 bis jetzt. Es gab zig Kabinettsbeschlüsse. Passiert ist nichts. Wir wollen, dass die Regierung endlich handelt“, sagt Silke Backsen. Die Bewohnerinnen und Bewohner an der Nordseeküste leben seit Jahrhunderten mit dem Meer.
    Wie verheerend Sturmfluten sind, zeigen die Spuren untergegangener Siedlungen im Watt. Philip Abresch trifft dort den Klimaforscher Prof. Mojib Latif, Leiter des Forschungszentrums GEOMAR. Vor etwa 700 Jahren ist hier ein ganzes Dorf untergegangen. Nur Fundamente, Brunnenreste und Scherben von altem Geschirr sind noch übrig. Die sogenannte Grote Mandränke war eine Jahrhundertflut. Ein singuläres Ereignis. „Heute ändert sich das Klima mit unglaublicher Geschwindigkeit. Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann müssen wir damit rechnen, dass noch viel mehr Land im Meer versinkt“, sagt Mojib Latif.
    Diese Sorge treibt auch die Bewohnerinnen und Bewohner von Cuxhaven um, vor allem im Stadtteil Sahlenburg. In dem vom Tourismus geprägten Ortsteil gibt es keinen Deich. Seit 40 Jahren kämpfen die Einheimischen dafür, bisher vergeblich. Auch hier stehen Existenzen auf dem Spiel, wie Philipp Abresch erfährt. Familienbetriebe wie die Bäckerei Itjen oder das Hotel von Ines und Axel Finck. Beim Orkantief „Xaver“ im Jahr 2013 entgingen sie nur knapp einer Überflutung.
    Dass der Meeresspiegel immer schneller steigt, belegen Messdaten, die das Recherchenetzwerk CORRECTIV ausgewertet hat, und beunruhigt die Itjens sehr. Auch sie wollen, dass die Regierung in Sachen Klimaschutz endlich handelt und Sahlenburg einen Deich bekommt. Die Klimakrise im Norden hat viele Gesichter. Landwirt Nico Nommsen auf Pellworm wusste im Dürresommer 2018 nicht, wie er seine Milchkühe und Bullen durchbringen soll und verkaufte in seiner Not Tiere schon vor der Schlachtreife. Auch die Bäume von Apfelbauer Jan Plüschau litten unter den anhaltend hohen Temperaturen.
    Philipp Abresch trifft ihn auf seinem Hof. Das größte Problem: Bei Starkregen droht der gesamten Marsch Land unter. Die Pegel von Nordsee, Elbe und Pinnau steigen. Die Entwässerungstechnik ist alt und marode und für extreme Wetterereignisse, die mit dem Klimawandel einhergehen, nicht gerüstet. Viele Menschen haben mittlerweile begriffen, dass umgesteuert werden muss, um die Folgen der Klimaerwärmung in Grenzen zu halten. Veganer etwa versuchen ihren CO2-Fußabdruck zu minimieren, indem sie auf tierische Nahrung verzichten.
    Denn unbestritten ist: Die Massentierhaltung heizt das Klima weiter an. Der Wursthersteller Rügenwalder Mühle in Bad Zwischenahn in Niedersachsen hat deshalb einen Teil seiner Produktion auf vegane Produkte umgestellt. Philipp Abresch, weder Veganer noch Vegetarier, probiert die Veggie-Varianten. Dabei erzählt Geschäftsführer Godo Röben, wie er versucht, in der Fleischbranche ein Umdenken durchzusetzen. Mut machen Röben die Konsumenten. Immerhin macht das Unternehmen mittlerweile schon 30 Prozent seines Umsatzes mit veganer Wurst. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 30.08.2019NDR
  • Folge 2
    Reporter Philipp Abresch begibt sich im zweiten Teil seiner Klimawandelrecherche für „Wetter extrem“ in die Harzregion. Mit den Förstern des Nationalparks Harz geht es tief in den Wald. Oberförsterin Sabine Bauling zeigt ihm, wie die Fichtenbestände unter den Folgen des Klimawandels leiden. Wärmere Temperaturen sind ideale Bedingungen für den Borkenkäfer, der zurzeit die Bäume befällt. Die Trockenheit in den Jahren 2018 und auch 2019 setzen den Bäumen ebenso zu wie die extremen Niederschläge 2017. Am Fuße des Brockens sieht Philipp Abresch ein apokalyptisches Bild.
    Zahlreiche Bäume sind buchstäblich entwurzelt worden und umgestürzt. Spuren der Stürme, die in den letzten Jahren immer häufiger werden. Die Harzwasserwerke kümmern sich um Hochwasserschutz und die Trinkwasserversorgung der Region. Auch ihnen macht der Klimawandel schon heute zu schaffen, vor allem die langen Dürreperioden und ausbleibender Regen. Gemeinsam mit Marie Kleine von den Harzwasserwerken begibt sich Philipp Abresch auf einen gigantischen Betontrichter mitten im Stausee der Innerstetalsperre.
    Im vergangenen Sommer war der Wasserspiegel des Sees so niedrig wie nie zuvor. Wochenlang war der Regen ausgeblieben. „Wir hatten 2018 den niedrigsten Stand seit Beginn der Wetteraufzeichungen“, so Marie Kleine. Nur ein Jahr vorher wurde die Region vom anderen Extrem gebeutelt: Dauerregen und Hochwasser setzten zahlreiche Dörfer und Städte unter Wasser. In Goslar hat Philipp Abresch Oberbürgermeister Oliver Junk getroffen. Das Hochwasser in Goslar war ein Weckruf für die Bürgerinnen und Bürger: „Wenn man das so unmittelbar erlebt, in so einer kleinen Stadt, da weiß man, wir spüren den Klimawandel“, sagt Oliver Junk.
    Es gibt aber auch Nutznießer des Klimawandels. Am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg trifft Philipp Abresch die Mückenforscher Anna Heitmann und Renke Lühken. Sie untersuchen, ob sich mit steigenden Temperaturen auch Tropenkrankheiten im Norden ausbreiten können. Die Asiatische Tigermücke ist bereits im Süden Deutschlands ansässig. Und auch die heimischen Hausmücken können bei dauerhaft höheren Temperaturen Tropenkrankheiten wie das Westnilfieber übertragen.
    Das Virus war 2018 stärker als je zuvor in Europa ausgebrochen. In Deutschland infizierten sich zwar nur Vögel und Pferde mit dem Virus, europaweit starben laut Anna Heitmann aber fast 200 Menschen daran. „Bei solchen langen warmen Sommern ist das eine Gefahr, die jedes Jahr wieder auftreten wird, weil die Krankheit in unseren Nachbarländern eh zirkuliert“, erklärt Anna Heitmann. Philipp Abresch stattet auch Familie Meretzki in Harburg bei Hamburg einen Besuch ab.
    Sie hat gerade ein klimafreundliches Holzhaus gebaut. Angesichts des Klimawandels gewinnen nachwachsende Rohstoffe an Bedeutung, Holz ist dabei ein großer Hoffnungsträger. Denn Holzhäuser binden CO2 in Form von Kohlenstoff im Holz. Mithilfe einer Photovoltaikanlage auf dem Dach erzeugt die Familie ihren eigenen Strom. Der ökologische Gedanke ist Familie Meretzki sehr wichtig: „Wir wollen wissen, was in unserem Haus drinsteckt, um später unseren Kindern nicht eine Packung Sondermüll zu hinterlassen.“. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 06.09.2019NDR
  • Folge 3
    Wein aus Norddeutschland, das galt vor ein paar Jahren noch als Kuriosität. Doch lange heiße Sommer wie 2018 bieten ideale Bedingungen für den Weinanbau auch bei uns im Norden. Der Temperaturanstieg macht sich auch im Wasser bemerkbar: Die Ostsee hat sich in den letzten 30 Jahren um 1,5 Grad erwärmt, dreimal schneller als das Wasser in anderen Meeren. Die Heringsbestände gehen zurück. Es ist nicht mehr zu übersehen: Der Norden verändert sich mit dem Klima. Wie gehen die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern mit der Klimakrise um? Das will Philipp Abresch auf der letzten Etappe seiner Reise für „Wetter extrem“ herausfinden.
    Der Hering gehört zu Usedom wie die Ostsee und der Strand. Ohne Hering kein Rollmops, kein Matjes, kein Bückling. Auf dem Heringsfest in Koserow wird das „Silber des Meeres“ Jahr für Jahr gefeiert und Hering, das einstige Arme-Leute-Essen, in den unterschiedlichsten Variationen zubereitet. Doch die Angst geht um, dass man in naher Zukunft hier gar keine Heringe mehr fangen kann. Die Fangquoten für den Ostseehering wurden in den letzten Jahren drastisch gesenkt.
    In diesem Jahr wurde die Quote nochmals um 48 Prozent heruntergesetzt. Udo Wachholz ist einer der letzten Heringsfischer von Usedom: „Von meinen 120 Tonnen, die ich mal hatte, durfte ich dieses Jahr noch sechs Tonnen fischen. Das reicht gerade mal, um einen Monat Krankenversicherung zu bezahlen.“ Welche Rolle spielt die Erwärmung der Ostsee beim Rückgang des Heringsnachwuchses? Dieser Frage gehen Dr. Patrick Polte und sein Team vom Thünen-Institut Fachbereich für Ostseefischerei nach.
    Philipp Abresch begleitet sie auf einer Fahrt mit dem Forschungsschiff „Clupea“ durch den Greifswalder Bodden, der „Kinderstube des Herings“. Die Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Nachwuchsproduktion seit 2004 kontinuierlich zurückgeht, bis hin zu verschwindend geringen Zahlen in den vergangenen Jahren. Denn das Schlüpfen der Heringslarven ist temperaturgesteuert. Durch die Erwärmung der Ostsee schlüpfen die Larven immer früher im Jahr und finden dann noch keine Nahrung. „Das ist so ähnlich, wie man das auch aus den Obstgärten kennt: Wenn die Pflanzen zu früh blühen, aber noch gar keine Insekten da sind, um sie zu bestäuben, dann verpassen sich diese Phänomene.
    Und das Gleiche kann auch im Wasser passieren“, erklärt Dr. Patrick Polte. Neben der ansteigenden Wassertemperatur spielt auch die Überdüngung der Ostsee eine Rolle für den Rückgang der Heringsbestände. Eine auf maximalen Ertrag ausgerichtete Landwirtschaft verseucht nicht nur das Grundwasser, Meere und Flüsse. Sie heizt auch die Klimakrise weiter an.
    Viele der größten Tierfabriken Europas stehen in Mecklenburg-Vorpommern. So auch eine Megastallanlage in Alt Tellin, in der 10.000 Sauen und bis zu 35.000 Ferkel gehalten werden. Jeden Montag protestieren hier Anwohnerinnen und Anwohner gegen die Ferkelzuchtanlage und den Verkehr der Gülle- und Futterlaster. Wie es auch anders geht, erfährt Philipp Abresch auf dem Biohof Gut Gallin. Mit Fruchtfolgen auf dem Acker und mechanischer Unkrautvernichtung wirtschaftet Jens Rasim umweltfreundlich. Seine 100 Schweine und 300 Rinder versorgt er ausschließlich mit selbst angebautem Futter.
    Zum Gut gehören eine Fleischerei mit hofeigenem Schlachthaus, ein Hofladen und eine Gaststätte. Für Jens Rasim ist Biolandwirtschaft die Antwort auf den Klimawandel: „Wenn Erdgas und Erdöl verbraucht sind, ist ja praktisch die Grundlage für die konventionelle Landwirtschaft gar nicht mehr gegeben, weil kein Stickstoff mehr produziert werden kann. Wir können mit Bio die Menschheit ernähren, und in Zukunft werden wir es müssen. Wir dürfen dann nur nicht jeden Tag Fleisch essen, sondern nur ein-, zweimal die Woche.“ Es gibt auch Profiteure des Klimawandels, wie zum Beispiel der Verein der Privatwinzer zu Rattey.
    Die Hitzerekorde von 2018 führten auf dem Gut Schloss Rattey zu Rekordernten. Die Polargrenze für Weinanbau hat sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts von Kassel um 400 Kilometer nach Norden verschoben. Oenologe Stefan Schmidt, Leiter des Weinguts Schloss Rattey, träumt bereits von einer Weinstraße durch Mecklenburg-Vorpommern. Gemeinsam mit Philipp Abresch fährt er die ersten Stationen mit dem Fahrrad ab.
    Zum Abschluss seiner Reise besucht Philipp Abresch eine Fridays-for-Future-Demo in Rostock. Die Jugendlichen wollen so lange auf die Straße gehen, bis die deutsche Bundesregierung ihre Forderungen nach aktiver Klimaschutzpolitik erfüllt. Sie befürchten, dass sie sonst keine Zukunft in Norddeutschland haben und auch nicht anderswo. Der Fünftklässler Thilo Fridolin Matthes sieht es so: „Was nützen uns Arbeitsplätze, wenn wir keine bewohnbare Erde mehr haben? Die Politiker können es einfach nicht ertragen, dass Schüler wie wir recht haben!“. (Text: NDR)
    Deutsche TV-PremiereFr 13.09.2019NDR

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