Bastian Pastewka im Interview: „Ich persönlich schummle permanent vor der Kamera“

Über „Alles gelogen“, „Perfekt verpasst“, Anke Engelke, Fernsehen und Krimi-Hörspiele

Glenn Riedmeier
Glenn Riedmeier – 04.09.2024, 17:30 Uhr

Amazon Prime Video

fernsehserien.de: Wahrscheinlich für viele genauso überraschend, wie die Tatsache, dass Sie erst jetzt mit Ralf Husmann zusammengearbeitet haben, ist, dass „Perfekt verpasst“ Ihre erste gemeinsame Serie mit Anke Engelke ist. Und Sie haben sie nicht nur zusammen gedreht, sondern auch zusammen entwickelt. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Bastian Pastewka: Ende 2020 hatten Anke Engelke und ich Lust auf ein neues gemeinsames Projekt. Wir haben uns zusammengesetzt und kamen sehr schnell auf das Genre Serie. Dann mussten wir herausfinden, wen wir dabei spielen wollen: Sind wir Geschwister? Sind wir Gangster? Sind wir ein Ehepaar? Müssen wir gemeinsam einen Ring in einen Vulkan werfen? Dann haben wir uns ein paar Romantic-Comedy-Filme angeschaut und sahen, dass sich die Hauptfiguren immer am Anfang zufällig irgendwo begegnen und man ihnen dann beim ersten Date, bei der Verliebtheitsphase bis zum ersten Kuss zusehen kann – und am Schluss wird geheiratet. Wir dachten uns: Was wäre, wenn sich das perfekte Paar überhaupt nicht kennt und nie begegnet, aber trotzdem füreinander geschaffen ist? Einer von uns beiden sagte: Was wäre, wenn wir eine romantische Komödie über zwei Personen erzählen, die sich niemals begegnen werden? Dann war es zehn Sekunden still und Anke und ich wussten: Wir haben unser Thema.

Inwiefern waren Sie dann anschließend in die Umsetzung der Idee involviert?

Bastian Pastewka: Nachdem wir die Grundidee entwickelt und die Konstellation der Figuren ausgearbeitet hatten, haben wir die Serie in die Hände von Profis übergeben. Wir sind Executive Producer von „Perfekt verpasst“, aber wir sind keine Showrunner. Anke und ich haben uns, so gut es ging, in die Bucharbeit eingebracht, aber unsere Regisseure und Producer:innen haben ab Drehtag eins den Hut aufgehabt. Und das auch zu Recht. In der letzten Phase, in der technischen Fertigstellung der acht Folgen, waren Anke und ich wieder dabei und haben, wenn es sich anbot, unsere Positionen eingebracht. Der Weg von der ersten Rohfassung zur fertigen Serie erscheint mir rückblickend betrachtet am intensivsten. Wir haben ein paar wenige Szenen ersatzlos gestrichen, von denen ich vorher der Meinung war, dass sie die Story unbedingt braucht. Niemandem wird das auffallen. Und ich selber bin heute dankbar, dass diese Szenen fehlen. Wäre ich Showrunner gewesen, hätte ich es möglicherweise vorher gewusst. Aber ich bin eben Entertainer, der meist aus der Perspektive seiner eigenen zu spielenden Figur argumentiert – wieder was gelernt.

Ralf (Bastian Pastewka) und Maria (Anke Engelke) verpassen sich immer wieder. Amazon MGM Studios/​Ben Knabe

Ich finde, dass der Ton dieser Serie durchaus ein anderer ist als bei „Alles gelogen“ oder bei „Pastewka“. Ist Romantic Comedy denn das Genre, in das Sie das Ergebnis nun auch einordnen würden?

Bastian Pastewka: Ja, ich würde vermessen hinzufügen: Romantic Comedy, ein bisschen auf den Kopf gestellt.

Auffällig ist, dass diese Serie nicht in einer Großstadt spielt, sondern in der hessischen Kleinstadt Marburg. Wie wichtig ist das für die Geschichte, die Sie erzählen?

Bastian Pastewka: Marburg stand von Anfang an fest. Marburg ist eine kleine Stadt aus der deutschen Mitte. Die malerischen Gassen und historischen Gebäude liefern besondere Schauwerte für das Publikum von „Perfekt verpasst“. Umso spannender ist es ja, dass sich unsere Figuren Maria und Ralf in der kleinen Innenstadt, wo sie beide arbeiten, nicht über den Weg laufen. Wir brauchten also keine anonyme Großstadt, kein bereits oft gefilmtes Berlin, Hamburg, München, Köln, sondern eine Stadt, die optisch genauso wuselig wirkt wie das Wimmelbild, das wir in „Perfekt verpasst“ anbieten.

Marburger Kleinstadt-Romantik Amazon MGM Studios/​Ben Knabe

Der Titel der Serie ist auch Programm. Als Zuschauer fiebert man dem Moment entgegen, wann sich Maria und Ralf endlich begegnen. Haben Anke Engelke und Sie denn überhaupt häufig zusammen gedreht oder haben Sie sich überwiegend getrennt voneinander am Set aufgehalten?

Bastian Pastewka: Es gab Phasen, in denen der jeweils eine/​die jeweils andere nicht am Set war. Aber wenn man genau schaut, erkennt man, dass wir, einem Suchspiel gleich, doch beide gemeinsam im Bild auftauchen, auch wenn wir nicht immer unbedingt miteinander sprechen. Manchmal kann man eine versteckte Anke Engelke oder einen versteckten Bastian Pastewka im Hintergrund ausmachen. Speziell in unserer fünften Folge, die so erzählt ist, dass das Publikum sich den Tag der beiden eigentlich erst im Nachhinein genau vorstellen kann. Das war von Anfang an die Idee. Andererseits ist „Perfekt verpasst“ keine reine Fingerübung. „Perfekt verpasst“ ist eine Liebesgeschichte. Mit Maria und Ralf begleitet das Publikum zwei Anfang 50-Jährige, die einen Neuanfang hinlegen: Ralf hat eine Familie, Maria ist Buchhändlerin, Ralf lässt sich scheiden, Marias Erzfeindin Johanna hat ihr die Buchidee geklaut. Beide Figuren stecken mit einem Schlag zwischen Baum und Borke und müssen sich neu erfinden. Lustig ist es, weil sie eben dieses Alter haben und offenbar auf Erfahrungen zurückgreifen, die sie möglicherweise vor 30 Jahren das erste Mal gemacht haben. Und nun glauben sie, sie könnten das noch mal kopieren, was damals war. Doch natürlich kommt es anders. Diesen emotionalen Unterbau braucht „Perfekt verpasst“.

„Perfekt verpasst“ ist ein Amazon Original, eine Serie des Streamingdienstes Prime Video. Wäre so eine Serie denn heutzutage im linearen Fernsehen auch noch vorstellbar oder gibt es da inzwischen gewisse Hürden?

Bastian Pastewka: Das kann ich nicht beurteilen. Ich glaube, dass so eine Geschichte allen Spaß machen kann und dass gar nicht mehr so wirklich entscheidend ist, ob das Ganze in einem öffentlich-rechtlichen Kanal läuft, in einem privaten Sender oder bei einem Streamingdienst. Die Serienfans entdecken sie glücklicherweise in jedem Fall. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass die linearen Sendeplätze bei ARD und ZDF für eine achtteilige Serie nicht mehr so locker sitzen wie früher.

Begegnen sich Ralf (Bastian Pastewka) und Maria (Anke Engelke) hier wirklich? Amazon MGM Studios/​Ben Knabe

Und wenn eine Serie doch noch aus mehreren kurzen Folgen besteht, werden diese inzwischen oft am Stück irgendwann nachts versendet. Das ist ja auch nicht unbedingt der Sinn der Sache.

Bastian Pastewka: Richtig, das nennt man dann eine Event-Programmierung (lacht).

„Perfekt verpasst“ hat ein rundes Ende, aber besteht theoretisch die Möglichkeit einer zweiten Staffel?

Bastian Pastewka: Ich persönlich würde die Geschichte von Maria und Ralf sehr gerne weitererzählen, das wäre sicher möglich.

Bei den Namen Pastewka und Engelke denkt man natürlich automatisch auch an die legendäre „Wochenshow“ aus den 1990er-Jahren. Welche Erinnerungen verbinden Sie denn speziell mit dem Kennenlernen von Anke Engelke und der gemeinsamen Zeit damals?

Bastian Pastewka: Anke Engelke und ich hatten unser „erstes Date“ 1996. Damals wurden wir beide in die Sketch-Comedy-Sendung „Wochenshow“ gecastet. In meiner Erinnerung war Anke schon in den ersten 15 Folgen dabei. Ich kam erst im Sommer 1996 dazu und da lernten wir uns kennen. Tatsächlich waren Anke und ich flott auf einer Wellenlänge, was den Humor, die Absprachen, das Timing und die Technik anging. 

Über dieses berufliche Miteinander ist dann eine Freundschaft entstanden, die ich auf keinen Fall mehr missen möchte. Wir haben in Phasen zusammengearbeitet. Zunächst vier Jahre „Wochenshow“, danach gab es eine lange Pause bis 2007. Dann begann die „Wolfgang und Anneliese“-Phase. 2020 machten wir uns dann an „Perfekt verpasst“. Während wir die Geschichte ausarbeiteten, rief Bully Herbig an und fragte: Habt ihr Lust, bei ‚LOL‘ dabei zu sein? Diese Show kam immer noch so angenehm dazwischen. Anke war Teil der ersten Staffel von „LOL: Last One Laughing“. In der zweiten Staffel haben Anke und ich uns als Konkurrenten gegenübergestanden. Dann haben wir beide in der vierten Staffel als sogenannte Joker auftreten und alberne Lieder singen dürfen.

Als Jenny & Mel mit dem legendären „Shoo Shoo Song“.

Bastian Pastewka: Genau, als Jenny & Mel und als Alabama Banjos. Vor einem Jahr wurde das Weihnachts-Special aufgezeichnet, natürlich schon im August. Da sind wir noch mal als Paar bei „LOL“ aufgelaufen.

Und es ist eine wahre Freude, die Dynamik zwischen Ihnen mitanzusehen.

Bastian Pastewka: Vielen Dank. Das Lustige ist aber: Wir sind im Grunde gar kein Comedy-Duo. Wir sind nicht Badesalz oder Mundstuhl oder damals die Misfits. Man kann uns auch einzeln buchen (lacht). Aber tatsächlich haben wir in dieser gemeinsamen Zeit, die wir miteinander verbracht haben, einen ziemlich guten Spirit miteinander entwickelt. Das ist mit Anke glücklicherweise alles so wahnsinnig unkompliziert und leicht. Weil sie ein großes Talent hat und innerhalb kürzester Zeit in alle möglichen Rollen schlüpfen kann.

Das sind schöne Worte. Ein Format wie „Die Wochenshow“ gibt es heutzutage leider nicht mehr. Manche vergleichen zwar die „heute-show“ damit, aber das ist meiner Ansicht nach ein anderes Genre. Könnten Sie sich denn vorstellen, eine Sketch-Comedy-Show vor Publikum heutzutage noch zu drehen?

Bastian Pastewka: Ich arbeite wahnsinnig gerne im Ensemble. „Pastewka“, „Die Wochenshow“, „Alles gelogen“: alles Teamarbeit. Auch „Perfekt verpasst“ funktioniert über tolle Darstellerinnen und Darsteller an unserer Seite. Das ist eigentlich das, was mich am meisten interessiert: Wer sind die guten Leute um mich herum? Denn wenn man einen perfekten gemeinsamen Spirit erarbeitet – speziell bei Comedy-, dann kann man mit der eigenen Begeisterung manchmal schon sehr viel ausrichten und das Publikum schnell in den Bann ziehen. Das Genre oder die Disziplin Sketch-Comedy liegt momentan allerdings so ein bisschen brach. Das liegt auch daran, dass es sehr schwer ist, sich in einem Sketch auf ein Thema zu einigen. „Die Wochenshow“ ist eine andere Show gewesen als die „heute-show“, auch wenn formell in beiden Sendungen ein Nachrichtensprecher in der Mitte eines Pultes sitzt. „Die Wochenshow“ war die Verabredung: Engelke, Lück, Rima, Profitlich, Frier und Pastewka parodieren die aktuellen Fernsehsendungen der Woche.

Wir waren keine Sendung, die sich um den politischen Alltag gekümmert hat. Ja, es gab bei uns einen kleinen Nachrichtenblock, wo wir Versprecher von Klaus Kinkel und Helmut Kohl untergebracht haben. Aber das ist ja keine fundierte Politsatire, wie wir sie heute glücklicherweise von Oliver Welke, Jan Böhmermann oder Carolin Kebekus bekommen. Wir waren ein Parodie-Format aus der Zeit, als sich das Privatfernsehen unglaublich ernst nahm mit seinen Infotainment-Sendungen, seinen Erotik-Magazinen, mit den ersten Soaps, mit dem Aufkommen des Musikfernsehens usw. Da hat „Die Wochenshow“ eine Art Update geliefert und am Samstag gezeigt, was man unter der Woche an bekloppten Sendungen verpasst hat, indem wir sie einfach in Kurzform nachgespielt und parodiert haben. Das funktionierte damals, weil gerade das Privatfernsehen noch viel mehr Bedeutung hatte als heute.

Die Zeiten für solche Formate sind also vorbei?

Bastian Pastewka: Zu sagen, man müsste das im Jahre 2024 noch mal machen, will mir nicht in den Kopf. Denn erstens ist das Fernsehen nicht mehr so spannend und so wichtig wie für die Generation in den 1990ern. Zweitens braucht es diese Form der spielerischen Überhöhung momentan nicht. Einer der letzten Versuche war die Sendung „Binge Reloaded“ bei Prime Video. Die ist meiner Ansicht nach nicht sehr treffsicher gewesen, obwohl die Darstellerinnen und Darsteller alle sehr gut sind.

Die Sendung ist auch ein bisschen untergegangen. Da könnte es sogar kontraproduktiv gewesen sein, dass sie bei einem Streamingdienst gelaufen ist. Die wöchentliche Ausstrahlung von „Switch Reloaded“ war damals ein fester Termin. Ob das allerdings heute noch genau so funktionieren würde, kann auch ich schwer einschätzen.

Bastian Pastewka: Wahrscheinlich nicht.

Auf der nächsten Seite spricht Bastian Pastewka über „Welke & Pastewka – Wiedersehen macht Freude!“, „Wer stiehlt mir die Show?“, seinen Podcast über historische ARD-Kriminalhörspiele und er beschreibt, was ihn am deutschen Fernsehen am meisten stört.

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