„Sunny“: Wenn der Haushaltsroboter zum besten Freund wird – Review

Apples SciFi-Comedy mit toller Rashida Jones startet furios und versackt zunehmend

Marcus Kirzynowski
Rezension von Marcus Kirzynowski – 09.07.2024, 17:30 Uhr

Rashida Jones mit Sunny – Bild: Apple TV+
Rashida Jones mit Sunny

Das Thema „intelligenter“ Roboter fasziniert die Autoren von Science-Fiction-Filmen und -Serien schon lange. Bereits in den 1980er Jahren hieß es „Nummer 5 lebt“ – wie intelligent der „Terminator“ nun wirklich war, darüber lässt sich natürlich streiten. Spätestens mit Lieutenant Commander Data in „Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert“ war die Frage, was Androiden mit künstlicher Intelligenz eigentlich noch von Menschen mit natürlicher unterscheidet, dann aber nicht mehr aus dem TV-Genre wegzudenken. Mit dem menschenähnlichen blassen Sternenflottenoffizier hat Sunny, der Roboter aus der gleichnamigen neuen Apple-Serie, rein äußerlich wenig gemein. Er sieht eher aus wie die elektronischen Helfer, die heute vereinzelt schon in Altenheimen oder Bibliotheken eingesetzt werden. Aber er entwickelt schnell ein erstaunliches Eigenleben.

Apple TV+ selbst beschreibt die zunächst zehnteilige Serie „Sunny“, die auf dem Roman „The Dark Manual“ von Colin O’Sullivan basiert, als schwarze Comedy. Die jeweils rund 30 Minuten langen Episoden haben aber auch starke Drama-, Thriller- und Mysteryelemente. Dabei wechselt der Tonfall zwischen den einzelnen Folgen teilweise durchaus drastisch: Ist die Staffel anfangs eher traurig mit schwarzhumorigen Einschüben, wird sie zunehmend überdreht und auf schrille Komik konzentriert. Vielleicht haben die AutorInnen der späteren Episoden auch einfach während der Arbeit zu viele Quentin-Tarantino-Filme geguckt.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht Suzie Sakamoto (Rashida Jones, „The Office“), eine in Kyoto lebende US-Amerikanerin. Sie ist am Boden zerstört, als man ihr mitteilt, ihr japanischer Ehemann Masa (Hidetoshi Nishijima) und der gemeinsame Sohn seien bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Um sie über den schweren Verlust hinwegzutrösten, stellt ihr das Robotik-Unternehmen, bei dem Masa als Ingenieur gearbeitet hat, den Homebot Sunny zur Verfügung – eine Art Prototyp eines weit entwickelten Alltagsbegleiters, der nicht nur im Haushalt helfen, sondern auch als AnsprechpartnerIn dienen soll. Schließlich ist Japan bekannt als eines der Länder mit den meisten einsamen Menschen. (Und manche Besitzer hacken ihre Homebots in der nahen Serienzukunft auch so, dass sie sie als Sexroboter missbrauchen können.)

Fernsehen mit dem Homebot: Sunny und Suzie (Rashida Jones) Apple TV+

Die verschlossen-schroffe Suzie steht dieser Art Robotern aber ablehnend gegenüber und will von der mit sanfter Stimme und Kindchenschema-Gesicht ausgestatteten Sunny zunächst gar nichts wissen. Das ändert sich schrittweise, als sie erkennt, dass Masa selbst – von dem sie dachte, er entwickele Kühlschränke – Sunny programmiert und dabei auch mit ganz persönlichen Gesten versehen hat, in denen Suzie ihren Gatten wiedererkennt. Als sich Indizien häufen, dass Masas Tod vielleicht doch kein Unfall war, macht sich Suzie gemeinsam mit dem Roboter und der Barkeeperin Mixxy (annie the clumsy) auf den steinigen Weg, die Wahrheit herauszufinden. Dabei geraten sie allerdings der örtlichen Zweigstelle der Yakuza in die Quere.

Suzie bewegt sich in einer Welt, die ihr nicht nur durch die andere Kultur, auf die sie sich auch nach vielen Jahren immer noch nicht richtig eingelassen hat, fremd geblieben ist, sondern in der auch jedeR in ihrem Umfeld ein großes Geheimnis zu haben scheint. So hat sie nicht nur der eigene Ehemann über sein Berufsleben angelogen, auch in dessen Familie liegt einiges im Dunkeln. Suzies Schwiegermutter Noriko (Judy Ongg) – das Verhältnis der Beiden ist mit schwierig noch beschönigend beschrieben – lässt sich gleich mutwillig ins Gefängnis einliefern, weil sie sich dort sicherer fühlt als draußen, ohne ihrer Schwiegertochter von der Gefahr zu erzählen. Aber auch Suzies eigener Charakter macht ihr das Leben nicht gerade einfacher, ist sie doch eine Einzelgängerin, die Probleme damit hat, andere Menschen an sich heranzulassen. Als Brücke dazu kann aber vielleicht ausgerechnet Sunny dienen.

Neue Freundin: die Barkeeperin Mixxy (annie the clumsy) Apple TV+

Wie überhaupt alle Fäden irgendwie bei dem zunächst so unscheinbaren Roboter zusammenlaufen, hinter dem alle Seiten her sind. Er könnte aber auch einfach ein großer McGuffin sein, der lediglich die Handlung(en) in Gang bringt und hält. In der englisch-japanischen Originalversion (synchronisiert wurden nur die englischen Dialogteile) mit der Stimme von Joanna Sotomura ausgestattet, ist der bewusst simpel designte Droide mit den großen digitalen Augen auch das emotionale Herz der Serie – und entwickelt sich im Laufe der Staffel zur neben Suzie interessantesten Figur. In den ersten sieben Episoden beweist Rashida Jones, früher eher für effektive Nebenrollen bekannt, dass sie in der Lage ist, eine Serie als Hauptdarstellerin zu tragen. Suzie spielt sie ebenso eigenwillig wie verletztlich, so dass man sie einfach ins Herz schließen muss.

Inszenatorisch schöpft „Sunny“ aus dem Vollen: Voice-Over-Erzähler, immer wieder unvermittelt eingeschobene Rückblenden (in denen wir auch sehen, wie Suzie nach ihrer Ankunft in Japan Masa kennenlernte), eingeblendete Schriften und Symbole und viel Popmusik zur Untermalung und Kommentierung. Dazu kommt ein teils überbordendes Produktionsdesign zwischen Futurismus und japanischer Kultur.

Geht absichtlich ins Gefängnis: Schwiegermutter Noriko (Judy Ongg) Apple TV+

Was man der originell und packend startenden Serie allerdings wirklich ankreiden muss, ist die wechselhafte Qualität der Drehbücher. Selten habe ich eine (Debüt-)Staffel gesehen, die von der ersten bis zur letzten Folge so stark abbaut. Das erste Drittel ist noch fast makellos geschrieben (die beiden Auftaktfolgen von Serienschöpferin Katie Robbins, „The Affair“), fasziniert mit interessanten Charakteren, überzeugendem Worldbuilding und philosophischen Fragen nach der Rolle von Künstlicher Intelligenz in der Gesellschaft. Im Mittelteil hängt die Handlung dann schon etwas durch, um in der drittletzten Folge völlig an Tempo zu verlieren. 

Für zwei Episoden wird die tolle Hauptdarstellerin fast ganz aus dem Spiel genommen, um erst eine langweilige Rückblende-Folge über das Vorleben von Masa einzuschieben und dann noch eine quietschbunt-nervige Episode, die komplett in Sunnys Kopf spielt. Im Stil einer japanischen Quizshow muss sich die Droidin hier ihren Selbstzweifeln und inneren Dämonen (träumen Haushaltsroboter etwa von elektrischen Spinnen?) stellen, was der Figur nur bedingt etwas hinzufügt.

Kennenlernen in Kyoto: Suzie und Masa (Hidetoshi Nishijima) Apple TV+

So bleibt am Staffelende (mit Cliffhanger) das Gefühl einer vertanen Chance, eine wirklich großartige Serie an den Start gebracht zu haben. In Zeiten des anhaltenden Manga-, Anime- und J-Pop-Hypes wird „Sunny“ aber auch so seine Fans finden.

Dieser Text basiert auf der Sichtung der kompletten ersten Staffel von „Sunny“.

Meine Wertung: 3,5/​5

Die zehnteilige erste Staffel startet am 10. Juli mit zwei Epsioden auf Apple TV+. Die weiteren folgen dann jeweils mittwochs.

Über den Autor

Marcus Kirzynowski ist Düsseldorfer Journalist und Serienfreund; wuchs mit „Ein Colt für alle Fälle“, „Dallas“ und „L.A. Law“ auf; Traumarbeitgeber: Fisher & Sons, County General Notaufnahme; die Jobs auf dem Battlestar Galactica und im West Wing wären ihm hingegen zu stressig; Wunschwohnort: Cicely, Alaska. Schreibt über amerikanische und europäische TV-Serien sowie andere Kultur- und Medienthemen, u.a. für fernsehserien.de und sein eigenes Online-Magazin Fortsetzung.tv.

Lieblingsserien: Six Feet Under, Emergency Room, The West Wing

Kommentare zu dieser Newsmeldung

  • am

    Eine Staffel, die im Verlauf der Folgen abbaut und mit einem Cliffhanger endet. Dazu ist der Großteil mit deutschen Untertiteln versehen. Ich glaube, ich verzichte.

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